Küsse im Morgenlicht
auf die gepflasterte Terrasse.
Lucs Finger glitten von ihrem Ellenbogen - seit ihrer Ankunft hatte er Amelias Arm mit schraubstockartigem Griff umfasst gehalten - und zu ihrer Hand hinab. Gebieterisch griff er nach ihrem Handgelenk, trat neben sie, legte ihre Finger auf seinen Arm und hielt sie dort mit seiner anderen Hand fest umschlungen. »Mir war gar nicht mehr bewusst, dass die Gärten der Carstairs so groß sind.« Luc betrachtete schweigend die schattigen Pfade, die von der Terrasse aus abwärtsführten und irgendwo im Unbekannten endeten. »Den Fluss kann man von hier aus kaum noch hören.«
»Nur ein schwaches Plätschern und ab und zu mal das Klatschen von einem Ruderblatt.« Auch Amelia schaute sich um. »Scheint so, als ob der eigentliche Ball hier draußen stattfinden sollte.« Mit einem knappen Nicken deutete sie in Richtung der Musiker hinüber, die sich mit ihren Instrumenten an einem Ende der Terrasse postiert hatten.
»Lass uns ein bisschen durch den Garten schlendern.«
Denn wenn sie nun noch länger unmittelbar bei den Terrassentüren stehen blieben, würden bald schon wieder andere Gäste das Gespräch mit ihnen suchen. Und Amelia hatte keine Lust, sich mit irgendjemand anderem zu unterhalten als mit Luc. Und selbst in seiner Gegenwart zog sie es vor, nicht etwa Worte auszutauschen, sondern etwas viel Intimeres - und der Garten schien ihnen dazu mancherlei Gelegenheit zu bieten. Dicht an Lucs Seite ging sie eine kleine Treppe hinab.
Vor ihnen strebten die diversen Kieswege in ganz unterschiedliche Richtungen. Amelia und Luc entschieden sich für jenen, der am wenigsten frequentiert war und unter den dicht belaubten Ästen eines kleinen Gehölzes verschwand. Ihr Spaziergang führte sie abwechselnd über hell vom Mondlicht beschienene kleine Abschnitte und dann wieder durch finstere Schatten hindurch. Amelia schwieg die ganze Zeit, spürte, wie Lucs Blick - scheinbar gegen seinen Willen - immer wieder zu ihren nackten Schultern und den entblößten, zarten Ansätzen ihrer Brüste zurückkehrte.
Es überraschte sie nicht im Geringsten, als er irgendwann knurrte: »Wo, zur Hölle, hast du bloß dieses Kleid aufgetrieben?«
»Celestine hat es mir aus Paris mitgebracht.« Amelia schaute an sich hinab und zupfte ein wenig an dem Rüschenwerk, aus dem das Oberteil gearbeitet war. Natürlich spürte sie genau, dass Luc jeder ihrer Gesten mit eindringlichem Blick folgte. »Es ist ein bisschen ausgefallen, aber ja noch lange nicht anstößig. Ich finde es hübsch, du nicht auch?«
Sie sah zu ihm auf und konnte trotz des schwachen Lichts erkennen, wie er grimmig die Lippen zusammenpresste.
»Du weißt, verdammt noch mal, ganz genau, was ich und wohl auch so ziemlich jeder andere Mann, der noch nicht völlig senil und jenseits von Gut und Böse ist, über dieses Kleid denkt... und was sie über dich denken.« Luc biss sich auf die Zunge und verkniff sich die Worte: … und dass sie bereits darüber fantasieren, wie du wohl ohne dieses Kleid aussehen würdest. Aus zusammengekniffenen Augen funkelte er sie an. »Wenn ich mich recht erinnere, waren wir doch übereingekommen, dass du meinen Vorgaben folgst.«
Amelia blickte ihn ehrlich erstaunt an. »Ja, aber gehört denn das hier«, damit entriss sie ihm unsanft ihre Hand und breitete ihre seidig schimmernden Röcke aus, »etwa nicht dazu? Ich meine, die Gesellschaft verlangt doch, dass wir... dass alle jungen Paare einer ganz bestimmten Reihe von Ritualen folgen. Gehört denn ein verführerisches Kleid etwa nicht dazu?« Amelia blieb abrupt stehen und starrte Luc an. Sie hatten die Terrasse nun ein gutes Stück hinter sich gelassen und schienen die einzigen Gäste in diesem abgeschiedenen Winkel des Gartens zu sein. Sie konnten also offen miteinander sprechen. »Es wird doch wohl von mir erwartet, dass ich versuche, dich zu betören, oder?«
Lucs Augen waren so schmal, wie er sie kaum noch weiter hätte zusammenkneifen können. Durch zusammengebissene Zähne erwiderte er: »Du betörst mich auch ohne dieses Kleid schon mehr als genug.« Himmel, was war ihm denn da bloß gerade herausgerutscht? »Mit anderen Worten, eines der üblichen, normalen Kleider hätte also schon vollauf genügt. Das da jedenfalls«, er deutete mit ausgestrecktem Finger auf Amelias irisierende Robe, »geht eindeutig zu weit. Das ist viel zu marktschreierisch. Es passt einfach nicht zu dir.«
Was Luc damit sagen wollte, war, dass dieses dramatische Kleid nicht Amelias
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