Küsse im Morgenlicht
gedankenverloren, den Blick starr auf die Tür gerichtet. Luc hatte gar nichts davon gesagt, dass er ihr heute Morgen einen Besuch abstatten wollte. Nachdem sie am gestrigen Abend in Lady Carstairs Empfangssaal zurückgekehrt waren, war er nicht mehr von ihrer Seite gewichen. Natürlich hatte er sich stets ein wenig im Hintergrund gehalten, aber er war in jedem Fall immer da gewesen , bis das Fest sich schließlich seinem Ende entgegenneigte. Anschließend hatten die Ashfords Amelia vor dem Haus ihrer Eltern abgesetzt. Luc hatte sie noch die Treppe hinaufbegleitet, sich mit seiner üblichen, elegant doch auch irgendwie leicht gelangweilt wirkenden Art und Weise vor ihr verbeugt - und nicht ein einziges Wort über ein etwaiges nächstes Treffen verloren.
Die Salontür wurde geöffnet. Fröhlich kamen Emily, Anne und Fiona hereingeeilt. Amelia schloss ihre Zeitschrift und legte sie beiseite. Schließlich kam auch Luc hereingeschlendert. Er trug einen dunkelblauen Gehrock, Reithosen und Kürassierstiefel und sah wie immer leicht mysteriös und geradezu gefährlich attraktiv aus. Überaus höflich begrüßten die Mädchen zuerst Amelias Mutter, während Amelia versuchte, Lucs Aufmerksamkeit zu gewinnen. Doch außer einem raschen Blick gleich beim Eintreten in den Salon schaute er nicht in ihre Richtung.
Dann beugte er sich tief über Louises Hand und begrüßte sie mit der für ihn so typischen lässigen Galanterie. Aufmerksam und einladend deutete diese auf die Chaiselongue. Luc verstand diese Geste vollkommen falsch - und zwar mit voller Absicht, dessen war Amelia sich ganz sicher -, und verbeugte sich stattdessen vor Louises Tochter. »Amelia.«
Sie erwiderte sein Nicken, beobachtete dann amüsiert, wie Luc sich zu dem Lehnsessel neben ihrer Mutter umwandte und sich umständlich darauf niederließ. Die drei Mädchen stürmten unterdessen zu Amelia hinüber und gruppierten sich eilig um sie herum. Luc neigte sich leicht zu Louise hinüber, die Mädchen redeten lebhaft auf Amelia ein.
»Draußen ist solch wundervolles Wetter.«
»Und die Temperatur ist sehr angenehm. Nur eine ganz leichte Brise.«
»Darum wollten wir ein bisschen durch den Park spazieren, aber Luc hatte vorgeschlagen -«
Was Amelia viel dringender interessierte, war, was Luc in diesem Augenblick offenbar ihrer Mutter vorschlug.
Mit freundlichem Lächeln betrachtete Louise den Anblick ihrer Tochter, umringt von den drei jüngeren Mädchen, die allesamt aufgeregt durcheinanderplapperten.... dann wandte sie sich wieder zu Luc um und hob fragend die Brauen. »Dann verstehe ich das also richtig, dass es Euch keine allzu große Last wäre, abends nicht nur ein Auge auf Eure Schwestern und Miss Ffolliot zu haben, sondern auch noch ein wenig auf Amelia Acht zu geben?«
Luc blickte Louise geradeheraus an. Schließlich erwiderte er kurz und knapp: »Nein.« Sicherlich, auf Amelia aufzupassen wäre zweifellos mit gewissen Strapazen verbunden - aber er würde die Herausforderung schon meistern. »Obgleich Eure Tochter natürlich eine, nun, sagen wir, etwas eigensinnige Art an sich hat und die bedauerliche Neigung, allein ihrer eigenen Nase zu folgen. Aber das ist Euch ja zweifellos bewusst.«
»Selbstredend.« Neugierig blickte Louise Luc an.
Dieser schaute wiederum gelassen zu jener kleinen Sitzinsel hinüber, wo Amelia gerade den flehentlichen Bitten von Fiona und seinen Schwestern lauschte. »Amelia versteht sich sehr gut mit meinen Schwestern - und mit meiner Mutter natürlich auch. Dadurch dürfte die Sache etwas leichter werden.«
»Ach, wirklich?« Die leise Belustigung in Louises Stimme bestätigte Luc darin, dass diese durchaus begriffen hatte, welches Ziel der junge Vicomte bei ihrer Tochter neuerdings verfolgte. Sie wusste also genau, auf welche »Sache« Luc sich bezog.
»Ich hatte gehofft«, damit wandte Luc sich wieder Louise zu, »dass mein Vorschlag auf Euer Wohlwollen treffen würde.« Er hielt einen kurzen Moment inne, dann fuhr er in regelrecht schmeichelndem Tonfall fort: »Ich dachte da im Übrigen an eine kleine Landpartie nach Richmond. Denn vorausgesetzt, das Wetter spielt mit, wäre das doch eine willkommene Abwechslung. Wir nehmen natürlich die offene Kutsche.«
Er wartete darauf, wie Louise seinen Vorschlag beurteilen würde. Einen unangenehm langen Moment blickte sie ihn lediglich schweigend, doch eindringlich an. Dann aber lächelte sie und nickte. »Na schön, dann also Richmond. Wenn Ihr meint, dass das der Sache
Weitere Kostenlose Bücher