Kuessen al dente - Roman
Eine feine Narbe schlängelte sich um ihren Zeigefinger, ein Souvenir von ihrem ersten Kurs am Culinary Institut im richtigen Gebrauch von Küchenmessern. Arbeiterinnenhände, hatte Glenn sie genannt, bevor er ihr diesen funkelnden Ring angesteckt hatte. Grammys Hände, dachte sie und rieb sie aneinander. Sie hatte das Haar und die Hände ihrer Großmutter geerbt.
»Ich möchte mein eigenes Restaurant haben«, sagte sie. »Das ist es, was ich will.« Und obwohl sie das schon seit Jahren sagte, glaubte sie jetzt zum ersten Mal, dass sie ihre Worte wahrmachen konnte. Dieses Angebot mit all seinen spektakulären Begleiterscheinungen hatte ihrem Selbstvertrauen den letzten Kick gegeben, den es gebraucht hatte. Wenn sie gut genug war, um Giannis Restaurant zu managen, war sie auch gut genug, um ihr eigenes zu führen. Und ihr eigenes Restaurant in ihrer eigenen Stadt aufzumachen, war genau das, was sie für sich und für ihr Leben tun musste, ehe sie es mit irgendjemand teilen konnte.
Claudia nahm ein Paar Topflappen von einem Haken an
der Wand und holte den Kuchen aus dem Ofen. »Er riecht beinahe besser als er schmeckt.« Sie stellte die heiße Form auf die Herdplatte und beugte sich darüber, um das Aroma einzuatmen. Auf ihrem Gesicht breitete sich ein zufriedenes Lächeln aus, ehe sie zu Georgia hochblickte.
»Du wirst dieses Restaurant bekommen, wenn du es wirklich willst. Du besitzt die Fähigkeiten, du bist kreativ, und wenn es wirklich dein innigster Wunsch ist, hier drin«, sie berührte wieder ihr Herz, »und hier«, sie tippte sich an den Kopf, »dann wirst du auch die Disziplin aufbringen, deinen Traum in die Wirklichkeit umzusetzen. Leicht wird das allerdings nicht. Nichts, was einen Wert hat, kriegt man ohne den nötigen Einsatz. Aber du kannst es schaffen.«
»Das weiß ich«, sagte Georgia. »Ich weiß zwar noch nicht wie, aber das kriege ich schon noch raus.« Sie ging zum Schrank mit der Besteckschublade und zog einen Löffel heraus. »Ich glaube, jetzt möchte ich doch ein wenig Gelato .«
Claudia reichte ihr den Plastikbehälter mit cremigem Vanilleeis, vermischt mit Splittern von dunkler Schokolade. Georgia tauchte ihren Löffel — einen Esslöffel, keinen winzigen Teelöffel – in die Eiscreme, schob ihn in den Mund und musste unwillkürlich lächeln. Das Eis schmeckte großartig.
» Ciao, bella! « In Jeans, kariertem Hemd und diesen schwarzen Adidas-Turnschuhen, die alle coolen Jungs an der Highschool getragen hatten, kam Gianni über die Wiese auf Georgia zugeschlendert. Sie wartete bei dem alten Brunnen, auf halbem Weg zwischen dem Dia und seiner Winzerei, an genau der Stelle, wo sie ihn vor etlichen Monaten zum ersten Mal gesehen hatte, und wie damals hatte er ein Handy am Ohr. Und wie damals sah er einfach umwerfend gut aus.
Sie wünschte, sie könnte von sich dasselbe behaupten.
Ganz automatisch betastete sie den unordentlichen Haarknoten an ihrem Hinterkopf, der sich verdächtig nach einem derangierten Vogelnest anfühlte und dachte, dass ein rascher Blick in den Spiegel, bevor sie aus dem Restaurant stürmte, kein Luxus gewesen wäre. Aber ihr blieb nur ganz wenig Zeit zwischen der Dinner-Vorbereitung und dem Beginn ihrer Schicht, und sie wusste, wenn sie das, was sie zu sagen hatte, noch weiter hinausschob, dann würde sie es wahrscheinlich gar nicht mehr sagen. Ihr Kräuselfaktor war in diesem Fall nebensächlich.
»Hallo, Gianni.« Er kam ihr entgegen, und als sie ihm einen Kuss auf die Wange drücken wollte, nahm er ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie auf die Lippen. Und noch einmal. Georgia erwiderte seine Küsse und merkte, wie sich in ihrem Hinterkopf leise Zweifel anmeldeten. War sie verrückt geworden? Ein Teil von ihr bejahte die Frage, aber das war jener Teil, auf den sie nicht hören durfte.
»So«, sagte er. »Ich vermute, du hast mir was Wichtiges mitzuteilen.« Er zwinkerte ihr lächelnd zu. Trotz ihrer Unterhaltung in Sizilien hatte er offenbar keine Ahnung, was da kommen mochte.
»Ich habe dir in der Tat etwas Wichtiges zu sagen. Etwas sehr Wichtiges.« Sie räusperte sich, um Zeit zu gewinnen. »Es fällt mir nicht leicht, das zu sagen, und ich hasse es, wenn Leute diese Phrase dreschen, aber es ist die Wahrheit. Also sage ich es einfach.«
Sein Lächeln verschwand.
»Ich kann den Job im Lazarro nicht annehmen. Wenn ich hier im Dia fertig bin, gehe ich zurück nach New York und mache mein eigenes Restaurant auf.«
Gianni kreuzte die Arme vor der
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