Kuessen Auf Eigene Gefahr
Gesicht des Stierkämpfers jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken. Am anderen Ende der Couch stand ein Blumentopf mit einer Palme, deren große Blätter tropische Ruhe in diese großstädtische Umgebung brachten.
Überall waren ultramoderne Deckenbogenlampen angebracht und die dunklen Holzböden glänzten üppig. Die Wand gegenüber der Eingangstür wurde von einem Stickbild in Postergröße ausgefüllt, auf dem zwei Jungen abgebildet waren. Sein hellroter Rahmen erstrahlte in der gesonderten Beleuchtung. Die beiden rotwangigen Jungen liefen sorglos durch eine Wiese voller Frühlingsblumen, die in kraftvollen Farben leuchteten. Neben ihnen rannte ein kleiner, schwarzer Hund mit einem großen Ast im Maul. Ihre Ausgelassenheit war so lebendig dargestellt, dass sie sie beinahe lachen und krakeelen hören konnte. Ein Hirsch, zwei Kaninchen und sechs Schmetterlinge tollten um sie herum und im Hintergrund sprangen in einem Bach zwei muntere Fische.
Das war die Geschichte einer echten, heiteren Kindheit, von Glück, das der Seele entsprang, und von zwei Wesen, die völlig in der Freude am Leben aufgingen. Das war die Jugend, die man Blaine weggenommen hatte. «Hast du das gemacht?»
«Ja.» Blaine sah sie gar nicht erst an, sondern eilte sofort in die Küche. «Ich habe es aus der Höhle mitgebracht.»
Trinity begutachtete das Kunstwerk. Er hatte es mitgeschleppt, als er um sein Leben gerannt war? Es war sein Traum. Eine Hoffnung, an die er sich klammerte. Eine Sehnsucht, die ihn antrieb. Sie verstand ihn genau, denn sie hatte statt des Bildes ihr Passion-Fire -Schaumbad, das sie jeden Abend ansah. Sie wollte leben. Blaine wollte seine Kindheit. Seinen Bruder.
«Christian», erscholl Blaines Stimme aus der Küche, «bist du da?»
Trinity schloss die Wohnungstür und lugte in den Raum. «Was machst du da?»
Blaine hockte vorm Kühlschrank. «Angelica hat uns schon mal durch den Edelstahl kontaktiert, demnach sollte ich in der Lage sein, diese Verbindung anzuzapfen.» Er setzte seine Hand auf die Tür. «Christian.» Es klang eindringlich und sie spürte, wie die Luft dicker wurde, so als kanalisierte er Energie in das Küchengerät. «Komm her.»
Die Edelstahlfront begann zu schillern und dann erschien ein Gesicht darauf. Der Mann war bleich und seine Züge eingesunken. Er sah aus wie eine Mischung aus Sensenmann und einer Werbung für Lepra. Du lieber Gott. War das wirklich Christian? Trinity schlich sich näher heran. Das Leid, das sich im Abbild des Kriegers zeigte, tat ihr selbst weh. «Was ist mit ihm passiert?»
«Die Hexe ist ihm passiert.» Blaine legte auch seine andere Hand auf den Kühlschrank. «Wie geht’s dir, Kumpel?»
Christian hob mühsam eine Hand und setzte sie auf das Metall. Die Handflächen der beiden Männer lagen nun aneinander. Von Blaines Haut stieg Rauch auf. Trinity eilte zu ihm. «Verbrennst du dich?»
«Das ist Trinity.» Blaine zog sie zu sich herunter. «Sie ist eine Schwarze Witwe. Sie kann die Hexe vernichten.»
Der Blick aus Christians vollkommen leblosem Gesicht zuckte zu ihr hinüber. Er hatte bereis aufgegeben. Die Seele dieses Mannes wartete längst auf Reina. Barry hatte genauso ausgesehen, als er begriffen hatte, dass er starb. Es war eine Kombination aus höllischen Qualen, Reue und immenser Erleichterung.
«Komm nicht wegen mir zurück», beschwor ihn Christian mit rauer Stimme. «Wenn du zurückkehrst, dann hat dieses Miststück gewonnen.»
«Diesmal nicht.» Blaines Ton war unnachgiebig und seine verkrampften Finger drückten kleine Dellen in die Metalloberfläche. «Ich komme bald.» Von dem Tattoo auf seiner Brust stieg Qualm auf.
«Sei doch kein Blödmann», widersprach Christian. «Man kann die Hexe nicht töten –»
«Eine Schwarze Witwe kann alles töten.»
Christian schloss die Augen und erschauerte. «Trio, sie ist Angelicas Schwarze Witwe. Sobald ihr hier seid, wird sie auf dich losgehen. Sei nicht so blöd wie ich und vertrau einem von Angelicas Mädchen.»
Die herbe Enttäuschung, die in Christians Stimme mitschwang, ließ sie zurückzucken. Blaine bedachte sie mit einem langen, unangenehmen Blick. Er schien an die Frau zu denken, die Christian verraten hatte, und seine eigene Urteilsfähigkeit abzuschätzen.
«Ich schwöre, dass ich dich oder deinen Freund niemals der Frau ausliefern würde, die Christian so sehr verletzt hat», versicherte sie und konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme versagte. Und sie meinte es auch so. Oh Gott, und
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