Küssen auf eigene Gefahr
lackierten Fingernägeln unter die Nase. »Nimm die.«
Automatisch streckte er eine Hand aus, und sie ließ drei Aspirin hineinfallen.
»Ich hole dir ein Glas Wasser«, sagte sie kühl, drehte sich um und ging aus dem Zimmer.
Kaylee drehte den Wasserhahn auf, stützte sich mit beiden Händen auf das Waschbecken und sah gedankenverloren ihr Spiegelbild an, während sie versuchte, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Bobby hatte Recht. Sie sollte wirklich nicht so übertreiben.
Aber das war verdammt schwierig, solange ihre Gefühle Amok liefen, wie sie es seit vierundzwanzig Stunden taten.
Noch niemals in ihrem Leben hatte sie so viel Angst um einen anderen Menschen gehabt. Um sich selbst hatte sie schon oft Angst gehabt, und sie hatte sich auch ganz allgemein vor bestimmten Situationen gefürchtet; die Angst um das Leben eines anderen Menschen, die einem beinahe das Herz abdrückte, war jedoch etwas ganz Neues für sie.
Bobby hatte gestern ziemlich genau zu dem Zeitpunk das Bewusstsein wiedererlangt, als ihr langsam klar geworden war, dass es ihr ernst mit ihm war. Und sie war ganz sicher nicht in der geeigneten Verfassung gewesen hinzu nehmen, dass er sie nicht einmal mehr erkannte, währen« sie sich vermutlich zum ersten Mal im Leben richtig verliebt hatte.
Sie war mit ihm ins Krankenhaus gefahren, und das allein war schon ein Alptraum gewesen. Der Arzt und die Krankenschwester hatten eine Ewigkeit gebraucht, bevor sie es geschafft hatten, seine Körpertemperatur wieder zu normalisieren und es für sicher genug hielten, ihn zu entlassen. Und dann hatten sie ihr eine Liste mit Anweisungen mitgegeben, die so lang wie ihr Arm war. Nicht einmal, wenn es sie selbst betraf, nahm sie eine solche Verantwortung auf sich, geschweige denn, wenn es einen anderen betraf.
Die ganze Nacht hindurch hatte sie vor Angst kaum ein Auge zugemacht, sie war sicher, dass sie irgendetwas durcheinander bringen und falsch machen würde und Bobby daraufhin in ein Koma fallen würde, aus dem er nie mehr aufwachte. Als er dann aber an diesem Morgen die Augen aufgeschlagen und so getan hatte, als sei nichts Ungewöhnliches vorgefallen, hatte ihre Angst sich in Wut verwandelt.
Sie hatte kurz vor einem hysterischen Anfall gestanden.
So gerne sie auch weiter sauer auf Bobby gewesen wäre, in diesem Fall konnte sie ihm wohl tatsächlich nicht die Schuld in die Schuhe schieben. An seinem Hinterkopf prangte immer noch eine dicke Beule, die im Lauf der Nacht nur ein bisschen kleiner geworden war. Verdammt. Wahrscheinlich blieb ihr wirklich nichts anderes übrig, als die ganze Sache zu vergessen.
Aber das musste ihr ja nicht gefallen.
Sie füllte ein Glas mit Wasser und drehte den Hahn zu. Dann ging sie zurück ins Zimmer, setzte sich auf die Bettkante und reichte es Bobby. »An was von dem, was gestern passiert ist, kannst du dich denn erinnern?«
Bobby legte die Stirn in Falten. »Ich wusste, wer du bist, als ich heute Morgen aufgewacht bin. Was den Rest der gestrigen Ereignisse betrifft, sehe ich allerdings nur lauter unzusammenhängende Bilder vor mir, und meine Erinnerung daran ist so löchrig wie ein Schweizer Käse.«
»Erzähl doch mal, woran du dich erinnerst.«
Er dachte angestrengt nach. »Okay. Ich kann mich daran erinnern, dass ich in das Restaurant ging, um zu versuchen, mit deiner Schwes...« Mit einem erschrockenen Ausdruck in den blauen Augen sah er sie an. »Scheiße, Baby, deine Schwester. An die habe ich überhaupt nicht mehr gedacht! Ich habe nichts dagegen unternommen, dass dieser Kerl sie mitnimmt, stimmt's?« Er richtete sich auf einem Ellbogen auf, und Kaylee konnte zusehen, wie alle Farbe aus seinem Gesicht wich. »Chains! Ich habe Catherine die Zeichen gemacht, die du mir beigebracht hast, als plötzlich Chains aufgetaucht ist.« Er stieß einen Fluch aus und tastete nach der Beule an seinem Kopf. »Dieser Hurensohn. Er ist derjenige, der mir den Schlag verpasst hat. Aber er hat sie nicht erwischt, oder?«
Kaylee schlang die Arme um den Oberkörper. »Ich weiß es nicht. Als ich in Arabesque nach dir gesucht habe, hat kein Mensch davon gesprochen, dass eine Frau vermisst wird, doch in Anbetracht dessen, was seither alles passiert ist...« Sie zuckte hilflos die Achseln. Dann fügte sie mit erzwungenem Gleichmut hinzu: »Ich nehme an, dass er sie für mich gehalten hat, oder?« Verzweifelt hoffte sie, dass er ihr widersprechen würde.
Ihre Hoffnung erfüllte sich nicht. »Ja.« Offensichtlich konnte Bobby
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