Küssen auf eigene Gefahr
wieder sinken, als die Gestalt im Spiegel die Bewegung nachahmte.
Ach, du lieber Gott.
Die Wangen in ihrem sonst so blassen Gesicht waren knallrot, und ihre Augen blitzten. Oben auf ihrem Kopf thronte zwar immer noch der Knoten, zu dem sie ihre Haare an diesem Morgen aufgesteckt hatte, er war jedoch völlig verrutscht und hing auf einer Seite, außerdem hatten sich einzelne Strähnen gelöst und klebten an ihrem Hals und ihrer rechten Schläfe. Sie war in Schweiß gebadet und hatte das Gefühl, als könnte ihr Körper jeden Augenblick das rosafarbene Kleid sprengen. Sie wirkte sinnlich und wild und erregt. Sie sah aus - oh Mann, sie sah aus ...
Genau wie ihre Schwester. Es hätte genauso gut Kaylee sein können, die ihr da aus dem Spiegel über dem Waschbecken entgegenstarrte.
In diesem Augenblick machte sich das Bedürfnis, das sie ursprünglich hierher geführt hatte, aufs Neue bemerkbar und drängte alles andere in den Hintergrund. Catherine verschwand schnellstens in einer der Kabinen und trat nervös von einem Fuß auf den anderen, während sie ihr Kleid hochschob und ihren Slip herunterzog. Sie riss eine der papiernen Toilettenauflagen aus dem Behälter an der Wand, legte sie auf die Klobrille und setzte sich.
Oh Gott, oh Gott, wann hatte diese Veränderung stattgefunden? Wie war das passiert, ohne dass sie es merkte? Seit wann war es ihr nicht mehr peinlich, Kaylees Sachen zu tragen - auch wenn sie natürlich immer noch ihre eigene bequeme Kleidung vorzog? Und wie hatte es geschehen können, dass sich ihre guten Manieren mir nichts, dir nichts in Luft auflösten und einer Streitlust Platz machten, von der sie nicht einmal gewusst hatte, dass sie Teil ihres Wesens war? Alles an Sam McKade hätte eigentlich eine Beleidigung für ihre schwer erkämpfte gute Erziehung sein müssen.
Stattdessen schien sie alles an ihm zu erregen, in Versuchung zu führen und sie dazu zu bringen, Auftritte hinzulegen, zu denen sie sich im Leben nicht für fähig gehalten hätte. Sie sehnte sich danach, ihm einen kräftigen Tritt zu verpassen und abzuhauen, weg von ihm.
Ihn wie wild zu küssen, ihm die Klamotten vom Leib zu reißen und sich über ihn herzumachen. Mit einem Stöhnen beugte sie sich nach vorne und legte die Stirn auf ihre nackten Knie.
Sie konnte es einfach nicht begreifen. Eigentlich hätte sie von all den Veränderungen, die sich in so kurzer Zeit an ihr vollzogen hatten, abgestoßen sein sollen. Stattdessen gefielen sie ihr. Wo um Himmels willen war ihr Verstand geblieben? Sie ballte die Faust und schlug sich damit wieder und wieder gegen das Knie.
Unvermittelt richtete sie sich auf. Oh, bitte, das ist wirklich zu peinlich. Musst du unbedingt eine Identitätskrise haben, wenn du mit heruntergezogener Unterhose auf dem Klo sitzt? Kannst du dir nicht ein besseres Plätzchen dafür suchen? Das brachte sie ganz bestimmt nicht weiter, und wenn sie nicht in Kürze wieder im Restaurant erscheinen würde, würde Sam sich wie gewohnt vor der Tür aufbauen und dagegen hämmern. Und das fehlte ihr im Augenblick gerade noch.
Eigentlich ist doch gar nichts weiter dabei, sagte sie sich und versuchte ihrer neu gewonnenen Erkenntnis mit Logik zu Leibe zu rücken. Sie gönnte sich nur ein bisschen Spaß. Immerhin hatte man sie um ihre Ferien betrogen, was konnte es also schaden, wenn sie jede Möglichkeit nutzte, sich ein bisschen zu vergnügen, die sich ihr in dieser Situation bot? Und was hatte es letzten Endes schon groß zu bedeuten, wenn sie immer wieder der Gedanke beschlich, dass das hier wesentlich amüsanter war, als allein durch ganz Europa zu reisen? Es reizte sie, mit McKade die Klingen zu kreuzen. Und es war harmlos. Niemand würde Schaden daran nehmen.
Sie stand auf, brachte ihre Kleidung in Ordnung und straffte die Schultern. Dann betätigte sie die Spülung, öffnete die Tür und trat aus der Kabine.
Nur um sich der Mündung einer Pistole gegenüberzusehen, die direkt auf ihre Brust gerichtet war.
Ein Schrei entfuhr ihren Lippen, und sie taumelte zurück in die Kabine. Der Mann mit der Pistole packte sie mit seiner freien Hand und zerrte sie wieder heraus. Nachdem er sie von der Kabinentür weggezogen hatte, ließ er sie los. Catherine wollte einen Schritt rückwärts machen, wurde jedoch schon nach ein paar Zentimetern von der scharfen Kante der Ablage neben dem Waschbecken aufgehalten, die schmerzhaft in ihre Hüften schnitt. Sie griff nach hinten und klammerte sich mit beiden Händen daran fest. »Was
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