Küssen ist die beste Medizin (German Edition)
gebracht.“
Immer hatten alle bei ihr im Haus rumgehangen, und obwohl es eine Menge zusätzlicher Arbeit bedeutet hatte, wenn circa ein Dutzend Jungs im Garten spielten oder vor dem Fernseher hockten – von den Kosten, sie alle durchzufüttern, ganz zuschweigen – hatte sie ihre Jungs immer gern daheim gehabt und all ihre Freunde gekannt.
„Machst du dir etwa Sorgen um mich?“, fragte Kent, als sie vor einem zweistöckigen Haus im Craftsman-Stil anhielten.
„Ja, und sag mir nicht, das soll ich lassen. Ich bin deine Mutter. Da gehört das zur Jobbeschreibung.“ Sie betrachtete das Haus. „Sieht gut aus.“
„Es gehört Josh“, grummelte Kent. „Ich weiß nicht recht, ob ich ihn als meinen Vermieter haben will.“
Liebevoll erinnerte Denise sich daran, wie Josh damals mit zehn oder elf Jahren zu ihnen gekommen war. Seine Mutter hatte ihn im wahrsten Sinne des Wortes verlassen. Die Stadt hatte ihn nicht in staatliche Fürsorge geben wollen, also hatten sie und Ralph ihn aufgenommen. Er war ein weiteres Kind in einem Haus, das längst aus allen Nähten platzte, aber sie hätten es nicht anders gewollt.
„Sieh es doch mal positiv. Wenn er dich nervt, kannst du ihm damit drohen, peinliche Geschichten aus seiner Kindheit zu erzählen.“
Ihr Sohn grinste. „Gutes Argument.“
Sie stiegen aus dem Wagen und gingen zum Haus. Josh hatte gesagt, dass er nicht abschließen würde, also drehten sie nur den Türknopf und traten ein.
Das Foyer war klein, ging jedoch in ein geräumiges Wohnzimmer über. Die Fußböden waren nachbearbeitet und alles sah frisch gestrichen aus, ohne dass die typischen Craftsman-Details wie eingebaute Schränke und Holzbalken über den Türen verändert worden wären.
„Es ist wunderschön“, hauchte sie und ging zum Esszimmer.
„Lorraine würde es wirklich gefallen“, murmelte Kent. „Craftsman war schon immer ihr Ding.“
Denise blieb stehen und musste bewusst die zusammengebissenen Zähne wieder voneinander lösen.
Es war jetzt mehr als ein Jahr her, seit Lorraine Kent und Reese verlassen hatte. Wie die Mutter von Josh hatte sie Mannund Kind im Stich gelassen. Mag sein, dass es Gründe gab, einem Ehemann den Laufpass zu geben, aber was war das für eine Frau, die ihr Kind verließ? Lorraine sah Reese kaum, rief nicht an und schickte höchstens einmal eine SMS. Und das lag nicht daran, dass sie kein Geld hatte. Kent hatte gut für sie gesorgt, und nach allem, was er über seine Ex-Frau erzählt hatte, führte sie jetzt ein anderes Leben und wollte weder verheiratet sein noch sich um ihr Kind kümmern. Sie war aber auch nicht bereit, Unterhalt für ihr Kind zu zahlen. Denise hatte ihren Sohn gebeten, den Unterhalt einzuklagen, aber er weigerte sich.
Kent ging in die Küche. „Die scheint in Ordnung zu sein. Große Fenster über der Spüle haben Lorraine immer gefallen.“
Während Denise sich noch sagte, dass sie sich besser raushalten sollte, stapfte sie auch schon in die Küche, wo sie mitten im Raum stehen blieb und zur Kenntnis nahm, dass der blaue Granit wirklich gut zu den weißen Schränken und Bodenfliesen passte. Dann aber stemmte sie die Hände in die Hüften und sah ihren Sohn an.
„Es ist jetzt mehr als ein Jahr her“, begann sie und hoffte, ruhiger und vernünftiger zu klingen, als sie sich fühlte. „Ein Jahr. Lorraine ist nicht in Urlaub gefahren. Sie hat dich und Reese sitzen lassen. Sie hat ihren Sohn verlassen, Kent. Nicht ein Wort, keine Nachricht, nichts. Das ist nicht das Verhalten einer Frau, die Gefühle hat. Sie ist kein guter Mensch, und sie wird nicht zurückkommen.“
Ihr Sohn hatte ihr den Rücken zugewandt. Sie sah die Anspannung in der Art, wie er die Schultern straffte, und augenblicklich kam sie sich mies vor.
„Es tut mir leid“, sagte sie schnell. „Ich sollte nichts dazu sagen, aber ich ertrage es einfach nicht, dich so zu sehen.“
Er drehte sich zu ihr um und sah sie niedergeschlagen an. „Ich kann nicht anders, ich liebe sie, Mom.“
„Hast du versucht, sie loszulassen? Unternimmst du irgendetwas, um über sie hinwegzukommen?“
„Bist du über Dad hinweg?“Seit Ralphs Tod war nun genug Zeit vergangen, sodass sie die Frage hören konnte, ohne sich mit dem Schmerz befassen zu müssen. „Ich vermisse ihn noch, wenn du das meinst, aber ja, mein Leben geht trotzdem weiter.“
„Schön für dich, aber ich bin ein anderer Mensch. Für mich ist Lorraine die Frau meines Lebens.“
Nein, Lorraine ist ein Miststück,
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