Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
während sich Verena und Titti wieder
auf ihren Stühlen niederließen. Die junge Barkeeperin ordnete ihre Kleidung, setzte
ein geschäftsmäßiges Gesicht auf und begab sich in den Innenraum, um die Bestellung
auszuführen.
Verena löste
sich von ihm und half ihm beim Aufstehen. Seinen fragenden Blick beantwortete sie
prompt. »Das war der Ratsherr Meyer. Er ist im Kieler Rat für Wirtschaftsförderung
zuständig. Ohne den läuft im Norden nichts.«
»Wieso kennt
man den?«
Verena grinste.
»Sein Spitzname ist Granaten-Meyer, weil er früher eine Zeit lang Waffenhandel betrieben
haben soll. Er trickst überall herum, wo er fingern kann, sagt man. Er war vor Jahrzehnten
kurze Zeit mit Madeleine verbandelt, aber ich glaube nicht, dass er sie erkannt
hat.«
»Aber sicherlich
dich und Titti.«
»Nein. Titti
kennt er nicht, und ich habe immer das Weite gesucht, wenn er sich näherte. Vielleicht
hat ihm Schneider meinen Namen verraten, aber mehr weiß er bestimmt nicht über mich.«
Stuhr musste
daran denken, was Schneider ihm bereits alles über Verena erzählt hatte. Er zog
es aber vor, sie im Tal der Ahnungslosen zu belassen. Sein Telefon vibrierte. Eine
Nachricht von Jenny?
Er löste
sich von Verena, der das Vibrieren nicht entgangen war. »Weißt du, wo sich die Toiletten
befinden?«
Die Stimmung
war im Eimer. Verena zeigte gelangweilt auf die Terrassentür. Stuhr erhob sich.
Als er in die Hotelbar trat, konnte er zunächst nichts erkennen.
»Glaube
mir, die Bürgersteige von Kiel sind gepflastert mit Lügen!«
Das musste
die Stimme von diesem Granaten-Meyer sein. Jetzt fiel Stuhr erst ein, dass er seine
Sonnenbrille noch auf hatte. In diesem Moment wurde er von der Seite angesprochen.
»Stuhr, Sie hier? Setzen Sie sich zu uns. Wir besprechen gerade interessante Entwicklungen.«
Es war Schneider.
Stuhr lehnte
dankend ab. »Danke, nein. Erst muss ich mich dort drinnen hinsetzen. Vielleicht
später.« Stuhr zeigte auf die Toilettentür, durch die er wenig später schlüpfte.
Schnell betrat er eine der Kabinen und verschloss die Tür hinter sich. Ausgerechnet
in dieser Hotelbar musste er Schneider treffen, der mit dem Ratsherrn Meyer verhandelte.
Sicherlich würden sie beide über große Geschäfte reden.
Auf einmal
drang Schneiders gellende Stimme zu ihm. »Verena. Was ist denn nur los mit dir?«
Dann wurde
auch schon die Tür zur Toilette aufgerissen, und wenig später flog ihm über die
Kabinenwand sein Frauenroman entgegen. »Damit kannst du dir deinen Arsch abwischen,
du Feigling. Was ist das für eine Unart, sich auf dem Klo zu verstecken?«
Dann stapfte
Verena wieder heraus. Wenig später hörte es Stuhr zweimal klatschen. »Schneider,
du bist ein mieses Schwein.« Die Dame hatte Temperament.
Es fiel
Stuhr schwer, sich in dieser Örtlichkeit auf sein eigenes Geschäft zu konzentrieren.
Das Tor zur Welt
Jelena war unruhig, als sie ihre
gertenschlanke Figur im Schaufenster betrachtete. Durch ein großes Glasfenster konnte
sie den prächtig im Sonnenlicht glänzenden Rathausturm wahrnehmen. Die Warenhäuser
in der Mönckebergstraße fand sie allerdings weitaus interessanter, denn mit alten
Gemäuern war sie schließlich in Rumänien groß geworden.
Dass sich
biedere Ehemänner verstohlen nach ihr umdrehten, war sie gewohnt. Sie hatte Angst,
dass hinter diesen spießigen Typen plötzlich einer von Vladimirs Schlägern hervorspringen
und auf sie einschlagen könnte. Diese Art von Spannung liebte sie überhaupt nicht.
Dabei hatte sie ihren letzten Auftrag für Vladimir brav erledigt. Dass sich Sönke
Sörensen für sie von seiner Familie absetzen würde, konnte sie schließlich nicht
ahnen. Sicher, auch sie hatte sich ein wenig in ihn verliebt. Sönke war so ruhig,
so solide, so zuverlässig, und er strahlte Sicherheit aus. Sie fühlte sich bei ihm
geborgen, ein Gefühl, das sie schon lange tief im Innersten vermisst hatte.
Sie wusste,
dass es andere vielleicht Langeweile oder Ödnis nennen würden. Aber die gemeinsame
Zeit war schön gewesen. Er zeigte sich großzügig und nun war er plötzlich tot. Deutsche
Zeitungen zu lesen war ihr zu anstrengend, aber sie hatte sich ausführlich von dem
tragischen Unfall berichten lassen. Sicher war sie sich aber nicht, ob da nicht
doch Landsleute von ihr hinter der Sache steckten. Die Handschrift kannte sie nur
zu gut aus ihrer alten Heimat.
Ansonsten
ging es ihr ganz gut in Deutschland. Ab und zu bekam sie einen kleinen Auftrag von
Vladimir zugeschanzt
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