Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
und so konnte sie sich alles leisten, was sie in Rumänien vermisst
hatte. Schließlich war sie noch jung und wollte das Leben in vollen Zügen genießen.
Vor Vladimir
hatte sie Respekt. Der fragte nicht lange nach, wenn einmal etwas schieflief. Wenn
man Glück hatte, kam nur einer von seinen Schlägern aus der Baseballtruppe. Das
tat weh, aber es ging vorüber. Zudem schlugen Vladimirs Jungs nicht richtig zu,
das konnte ihre Kollegin Lara bestätigen. Sie hatten Mitleid mit den Mädchen.
Aber die
raueren Sitten schienen sich zunehmend durchzusetzen. Der Irina wurde vor einem
Monat ein heißes Bügeleisen auf den Bauch gedrückt, weil sie sich mit einem Klienten
eingelassen hatte, ohne dass es zum Auftrag gehörte. Ihr schönes Leben war vorbei,
jetzt musste sie für eine Reinigungsfirma putzen gehen.
Jelena konnte
sich nicht vorstellen, vor verknauserten Bürosäcken auf den Knien zu putzen. Nie
würde das ihre Ehre zulassen. Dann würde sie lieber in ihrer alten Heimat am Stock
betteln gehen.
Ein Schauder
durchlief ihren Körper, als sie an den gestrigen Anruf von Vladimir denken musste.
Er hatte sie rüde angewiesen, sofort aus Kiel zu verschwinden. Sönkes Familie schien
die Polizei aufgestachelt zu haben, jedenfalls sollte ein Ermittler bereits vor
ihrer Wohnungstür gestanden haben. Im Übrigen gäbe es den Auftrag für sie nicht
mehr, sagte Vladimir. Schlimmer noch: Lara sollte diesen Auftrag übernehmen.
Jelena war
sauer. Ursprünglich sollte sie heute Abend irgendeinen Direktor bezirzen. 5.000
Euro bar auf die Kralle wären das gewesen. Aber was sollte sie sich groß darüber
aufregen? Vladimir gab und nahm. So war sie gestern nach Hamburg geflohen. Das soll
eine schöne Stadt sein, hatten ihr Freundinnen gesteckt.
Sie wusste
von Hamburg nur, dass Vladimir oft mit seinen Jungs und anderen ungehobelten Horden
von Fans seinen Fußballverein Holstein Kiel zum Auswärtsspiel gegen St. Pauli begleitet
hatte. Standesgemäß wurden sie dort in Empfang genommen, was selten ohne Blessuren
ablief.
Obwohl Jelena
in den Ort geflüchtet war, den Vladimir am meisten auf der ganzen Welt verachtete,
konnte sie nicht sicher sein, hier nicht von ihm aufgespürt zu werden.
Sie erspähte
im Schaufenster ein schickes Abendkleid, es war nicht einmal teuer. Es würde gut
zu den schicken Schuhen passen, die sie trug. Hätte sie den Auftrag von Vladimir
bekommen, dann würde sie es sofort mitnehmen. Sie beneidete Lara. Sicherlich würde
sie sich nun diesen weißen Nerzmantel kaufen, auf den sie alle scharf waren. Ob
der zu Laras Hungergesicht passte, müsste allerdings noch abgewartet werden.
Gut, ihr
Auftrag war weg, und Strafe musste vielleicht sein. Dennoch würde Vladimir bald
wieder etwas anderes für sie haben, da war sie sicher. Immerhin war Irina durch
das Bügeleisen ein für allemal ausgefallen, und Vladimir fand nicht mehr so einfach
wie früher junge Deutsch sprechende Frauen aus dem Osten, weil man inzwischen auch
dort ganz gut Geld als Hostess verdienen konnte. Zu jung durfte man bei Vladimirs
Aufträgen sowieso nicht sein.
Woher Vladimir
sein Geld bekam, wusste sie nicht. Er sprach immer nur von den Bossen. Aber es schien
sauber zu sein, denn er ließ sich alles quittieren. Sie musste immer mit ihrem vollen
Namen unterschreiben: Jelena Romanowa.
Eigentlich
hieß sie Simonovich. Aber Vladimir riet ihr, sich einen Künstlernamen zuzulegen,
mit dem Männer etwas verbinden konnten. Wenn die deutschen Bonzen denken, sie vögeln
in ein russisches Königshaus hinein, dann wäre das sicherlich nicht schädlich für
das Gewerbe, hatte Vladimir derbe kommentiert. So hatte sie sich nicht nur den Busen
vergrößern, sondern auch ihren Künstlernamen in den Reisepass eintragen lassen.
Frustriert verließ Jelena die Mönckebergstraße.
Es zog sie zurück in ihr kleines Hotel in St. Georg auf der anderen Seite des Bahnhofs.
Beim Überqueren der Straße konnte sie im letzten Moment vor einem Bus wegspringen,
der ihr gerade noch hupend ausweichen konnte. Sie nahm sich vor, zukünftig aufmerksamer
zu sein.
Langsam
begann sie, sich zu beruhigen. Warum sollte Vladimir sie in Hamburg vermuten?
Eine vertraute
Melodie erklang von irgendwoher. Sie summte mit. Es dauerte einige Zeit, bis sie
bemerkte, dass es ihr Handy war. Sie fummelte es aus ihrer Handtasche und blickte
auf das Display.
Sie erschrak.
Es war Vladimir. Sie blickte sich vorsichtig um, bevor sie das Gespräch annahm.
Er sprach russisch und klang
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