Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
weggespült.
Ich bin im Auto eingeschlafen.«
Kommissar
Hansens zweifelnder Blick schien nicht vom Glauben an seine Geschichte erfüllt zu
sein: »Zur Tatzeit haben Sie also in einem Waldweg irgendwo hinter Hannover unter
der Einwirkung einer beträchtlichen Menge Alkohols geschlafen, richtig?«
Bergfeld
nickte. »Richtig, Kommissar. Sie werden sich noch erinnern, dass Sie mich am nächsten
Morgen angerufen und vom Mord berichtet haben. Sie werden ja meine belegte Stimme
vernommen haben.«
Der Kommissar
nickte. »Habe ich, Herr Bergfeld. Nun ist eine belegte Stimme noch lange kein Alibi.
Soll ich das mit der Flasche Wodka und dem Waldweg tatsächlich so in das Protokoll
übernehmen?«
Es blieb
Bergfeld keine Wahl als zuzustimmen.
Der Kommissar
zog ein unzufriedenes Gesicht. »Nun gut, Herr Bergfeld, dann fügen wir mit Ihrer
Aussage ein neues Kapitel der Kriminalgeschichte hinzu. Als stichfestes Alibi würde
ich es aber nicht bezeichnen.«
Bergfeld
spürte, dass der Kommissar nichts von alledem glaubte. Aber was konnte er anderes
tun, um seine Haut zu retten?
Der Kommissar
wurde ernst. »Herr Bergfeld, es sieht nicht gut für Sie aus. Ich kann Ihnen nur
empfehlen, mit uns zu kooperieren und uns die volle Wahrheit zu erzählen. Bedenken
Sie, Mord ist kein Kavaliersdelikt.«
Direktor
Bergfeld setzte ein friedfertiges Gesicht auf, um seine Bereitwilligkeit zu zeigen.
»Vielleicht
können Sie uns doch noch helfen, Herr Bergfeld«, reagierte Hansen gelassen. »Überlassen
Sie uns einfach kurzzeitig den Schlüssel für Ihr Dienstfahrzeug. Wir müssen noch
eine Gegenprobe zur Beweissicherung der Reifenabdrücke nehmen. Ich kann Sie dazu
nicht zwingen, aber Sie ersparen sich dadurch das Abschleppen des Wagens zur Polizeidirektion
nach Kiel. Es ist keine große Sache, in zehn Minuten haben Sie den Schlüssel zurück.«
Der Direktor
erstarrte. Schließlich schlummerte sein hart verdientes Geld im Kofferraum. Aber
er wusste, dass ihm keine Wahl mehr blieb. Wollte er auch nur annähernd glaubwürdig
erscheinen, dann musste er auf der Stelle den Schlüssel übergeben. Warum auch nicht?
Bergfeld zog umständlich seine Autoschlüssel aus dem Jackett hervor und hielt sie
dem Kommissar als Zeichen seiner Kooperationsbereitschaft entgegen.
Der Kommissar
rief über sein Handy einen Mitarbeiter vom Erkennungsdienst herbei, der unverzüglich
mit dem Schlüssel entschwand.
Die nervtötende
Stille, die sich zwischen den beiden Kontrahenten im Direktionszimmer ausbreitete,
nahm Bergfeld fast die Luft zum Atmen. Nach einigen Minuten nahm der Kommissar einen
Anruf entgegen. Bergfeld konnte nicht ausmachen, worum es ging. Nur wenig später
kehrte der Kollege des Kommissars zurück und händigte dem Direktor seine Autoschlüssel
aus.
Kommissar
Hansen reichte seinerseits dem Direktor unerwartet freundlich die Hand und verabschiedete
sich. »Danke, Herr Bergfeld. Sie haben uns sehr geholfen. Wenn Ihnen doch noch Einzelheiten
zum Wochenende einfallen, sollten Sie uns das melden. Auf Wiedersehen.«
Bergfeld
grüßte ungläubig zurück. Dann fiel die schwere Tür zu seinem Direktionszimmer satt
ins Schloss.
Bergfeld
blieb noch einige Zeit reglos stehen, denn an neues Glück konnte er nicht glauben.
Es musste andere, ihm unbekannte Gründe geben, die ihn ungeschoren davonkommen ließen.
Der Kommissar würde sicher nicht lockerlassen, bis er seinen Aufenthaltsort vom
Wochenende ermittelt hatte. Aber glücklicherweise dauerte es auch heute in Deutschland
noch Monate, bis die handausgefüllten Meldezettel aus den Rezeptionen der Hotels
bei den Behörden landeten. Diesen Vorsprung würde er für sich zu nutzen wissen.
Lass dich
nicht verrückt machen, sagte er sich. Er ging an seine kleine Bar. Er schob den
Cognac und den Whisky weg und nahm einen Wodka zu sich. Seine neuen Freunde würden
sicherlich zu ihm stehen.
Alte Zeiten
Brokdorf war ein Ort in der Idylle.
Tausend Bewohner, eine Sparkasse, ein Supermarkt, ein Kreisverkehr. Für gewöhnlich
wurde in diesem Dorf an der Elbe die Stille nur durch das Muhen der Kühe und das
Meckern der Schafe unterbrochen.
Stuhr schaute
sich unwohl in der kargen Marschlandschaft um, die von dem mächtigen Atommeiler
beherrscht wurde. Der letzte Dinosaurier in Schleswig-Holstein.
Längst verdrängte
und unangenehme Erinnerungen stiegen in ihm hoch. Er konnte sich gut entsinnen,
wie die Anti-Atom-Demonstrationen im Herbst 1976 losgingen. Im Friesennerz mit Gummistiefeln
staksten sie voller
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