Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
Kommissar Hansen benötigte dringend seine detaillierten Ortskenntnisse. Es
hatte einen Prominenten im Hotel Ambassador erwischt, mehr hatte er am Telefon nicht
verraten.
Die Urlauber
mussten vor dem Unwetter in ihre Behausungen geflüchtet sein, denn heute zeigte
sich das ansonsten turbulente Nordseebad wie ausgestorben. Schwungvoll bog Stuhr
von der sturmgepeitschten Einkaufsstraße in den Stephansweg ein und stellte das
Fahrzeug auf dem Hotelparkplatz ab. Vorsichtig öffnete er die Fahrertür, damit sie
der kräftige Wind nicht gegen den benachbarten Jeep schlug. Wenig später hastete
er durch die Rezeption zum Fahrstuhl.
Unbehaglich
war Stuhr schon, als er im obersten Stockwerk an die von Kommissar Hansen benannte
Suite klopfte, weil er nicht wusste, was ihn dahinter erwartete. Nicht nur das Gesicht
der Person, die ihm öffnete, war ihm vertraut, sondern auch die extravaganten gelben
Lederstiefel, die sie trug. Es war Verena.
»Sieh an,
mein Beschützer. Der Herr kommt spät, aber nicht zu spät. Jedenfalls nicht für mich.«
Stuhr konnte
sein Erstaunen nicht verbergen. »Hallo, Verena. Wie bist du denn hier hereingekommen?«
Die Stimme
von Kommissar Hansen aus dem Hintergrund nahm ihr die Antwort ab. »Komm rein, Stuhr.
Hier ist Scheiße passiert.«
Den Spruch
brachte Hansen nur, wenn merkwürdige Dinge geschehen waren. Stuhr drängte sich kalt
lächelnd an Verena vorbei, die es nicht unterlassen konnte, ihn beim Vorbeigehen
in den Po zu kneifen.
»Stuhr,
wo bleibst du denn?« Die ungeduldige Stimme von Hansen kam aus dem Schlafzimmer
der Suite.
Stuhr folgte
der Stimme, aber der Eintritt ins Schlafzimmer gestaltete sich unspektakulär, denn
neben dem grummelnden Kommissar und dessen fotografierendem Kollegen Fingerloos
von der Spurensicherung war nur ein nackter Toter auf dem durchwühlten Doppelbett
zu verzeichnen, der mit weit ausgebreiteten Armen den Geist aufgegeben hatte. Es
war Schneider. Die letzte Woche auf dem Sand vor St. Peter-Ording feurig gestartete
Rakete lag ausgebrannt im Bett.
Hansen nickte
nur kurz zur Begrüßung, weil er seinen Kollegen Fingerloos bedrängte. »Kannst du
schon irgendetwas sagen?«
Die Antwort
von Fingerloos war lapidar. »Das Opfer ist tot.«
»Sonst nichts?«
»Elmar Schneider,
erster Wohnsitz Hamburg.«
Hansen stellte
die Frage, die auch Stuhr auf der Zunge lag. »Warum wirkt der Tote denn so traurig?
Die beiden hatten doch vermutlich Sex.«
Fingerloos
drängte sich nach vorn. »Post coitum omne animal triste.«
Stuhr übersetzte
für den rätselnden Hansen. »Nach dem Sex sind alle Lebewesen traurig. Lateinisches
Sprichwort.«
Fingerloos
bemühte sich um eine erste ernsthafte Einschätzung. »Der Tote wird beim Geschlechtsakt
mit der Dame nebenan einen Herzinfarkt erlitten haben. Jedenfalls keinerlei Anzeichen
von Gewalt, nur von ausgiebigem Alkoholgenuss.«
Kommissar Hansen nickte. Er schien
nichts anderes erwartet zu haben. Fingerloos bewegte sich nun auf Stuhr zu. »Immer
schön, wenn sich zwei Kirchenchorknaben in der weiten Welt wieder einmal begegnen.
Ist Petra bei dir in besseren Händen?«
Endlich
konnte Stuhr einmal unschuldig die Hände heben. »Petra Bester? Nein, keine Aktien
daran. Wir sind uns gestern nur kurz über den Weg gelaufen. Du weißt genau, für
wen mein Herz schlägt.«
Der Blick
von Fingerloos glich dem einer sauren Zitrone. Was war zwischen Petra und ihm nur
schiefgelaufen?
Hansen drängte
sich zwischen die beiden Kampfhähne und nahm sie sich genervt zur Brust. »Wenn man
Ihren vertrauten Plausch stören darf, die Herren. Wonach soll ich denn die Dame
nebenan befragen? Eingetretener Tod beim Sex, das ist kein Verbrechen.«
Fingerloos
ging Hansen wie immer brutal mit dem Vornamen an. »Wenn du mich fragst, Konrad,
dann würde ich erkunden, mit wem sie sonst noch in der letzten Woche zu Gange war.
Vielleicht taucht der eine oder andere uns bekannte Name auf.«
Stuhr schoss
es eiskalt über den Rücken. »Im Prinzip hat Fingerloos recht, Hansen, aber die Dame
nebenan wird sich den ganzen Sommer über amüsiert haben. Da wird halb Promi-Deutschland
unter Generalverdacht gestellt. Ich würde dir raten, dich bei dem Verhör mit der
Dame nebenan besser minutiös auf die letzten Stunden vor Schneiders Tod zu beschränken.«
Kommissar
Hansen legte ein Gesicht an den Tag, das Stuhr unheimlich war. Dann machte er stets,
was er wollte. Tatsächlich verließ er das Schlafzimmer, um Verena zu befragen. Stuhr
holperte hinterher, arg
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