Küstengold: Kriminalroman (German Edition)
Blutzoll kostete.
Erst waren die Rekruten dran, dann die Berufssoldaten, und wenn es nichts mehr zu
befehligen gab, die Offiziere.
Heute war
er allein. Der letzte Offizier sozusagen. Wen konnte Korschunow jetzt noch um Hilfe
bitten?
Ein lautes Brummen erregte seine
Aufmerksamkeit. Tatsächlich, da kam quer über die regenverhangene stürmische Förde
ein Hubschrauber mit aufgeblendeten Lichtern herangeflogen. Korschunow lehnte sich
vorsichtig über die Brüstung und beobachtete, wie sich das Fluggerät zielstrebig
dem Ehrenmal näherte. Korschunow stieg auf die Brüstung und blickte nach unten.
Der Parkplatz war völlig zugestellt mit Polizeifahrzeugen. Erste Scheinwerfer wurden
auf die Spitze des Ehrenmals ausgerichtet.
Korschunow
fluchte. Denisow musste ihn verpfiffen haben. Oder Schneider. Er hätte das Schwein
in St. Peter-Ording kaltmachen sollen, aber der war nicht allein in seiner Suite
gewesen.
Korschunow
stieg wieder von der Brüstung herunter und kauerte abwartend mit dem Rücken an der
Brüstung, die ihn vom Hubschrauber abschirmte. Von hier aus konnte er gut die Stahltür
zum Treppenhaus einsehen. Sollte er sich nicht einfach ergeben? Was sollte die Polizei
ihm schon groß anhaben? Mit der linken Hand zerrte er sein Telefon hervor. Er musste
Voronin sprechen, den Sicherheitsberater des Staatspräsidenten. Es ging schließlich
um die Wahrung der russischen Interessen in der westlichen Hemisphäre und nicht
nur um seinen eigenen Hintern. Die sollten ihn hier herauspauken.
Voronin nahm aber nicht ab, diese
widerliche feige Ratte. So war das immer. Wieso musste ausgerechnet Korschunow die
Kastanien aus dem Feuer holen? Nur keine Mitwisser, hieß es immer. Wenn es aber
einmal eng wurde wie heute, dann konnte man sicher sein, dass die Staatsführung
einen im Stich ließ. Alles Ratten, fluchte Korschunow.
Jetzt erfasste
der Scheinwerfer des Hubschraubers erstmals die Aussichtsplattform. Er konnte die
Buchstaben SEK erkennen. In diesem Moment öffnete sich die Stahltür zur Aussichtsplattform.
Korschunow hob die Hände, er würde sich ergeben. Er war gespannt, wer ihm entgegentreten
würde.
Korschunow
konnte aber nicht mehr als eine behandschuhte Hand erkennen, die seelenruhig mit
einer eleganten Bewegung einen metallischen kleinen runden Gegenstand nach ihm warf.
Das war
eine Splitterhandgranate! Warum wollte die Polizei ihn umbringen? Geistesgegenwärtig
sprang Korschunow auf die Granate zu und warf sie in die Richtung des Polizeihubschraubers
fort.
Er zückte
seine Pistole und stürmte zur Tür. Ihm blieb keine Wahl mehr, er musste kämpfen.
Wie in Tschetschenien.
Mutprobe
Mit mehr als 70 Kilometern jagte
Petra Bester über die Strandstraße. Mit dem Badeort Laboe am Ausgang der Kieler
Förde verband sie bisher Sommervergnügen und Erholung. Am malerischen kleinen Hafen
konnte man an lauen Sommerabenden bei leckeren Fischbrötchen entspannt dem munteren
Treiben zusehen, und weite Sandstrände lockten seit jeher zahlreiche Touristen in
dieses beschauliche Ostseebad. Zu jeder Jahreszeit konnte man auf dem gegenüberliegenden
Ufer der Förde die Sonne untergehen sehen, wenn nicht wie heute ununterbrochen graue
Wolkenbänder über die aufgewühlte Förde jagten und Regenschauer vor sich hertrieben.
Jetzt war
weiter nördlich am Strand die Silhouette des angestrahlten Marineehrenmals auszumachen,
ein mehr als 85 Meter hohes backsteinernes Mahnmal, das bereits kurz nach dem Ersten
Weltkrieg zur Erinnerung an die gefallenen Seeleute errichtet worden war. Auch wenn
dem Architekten im zeitgenössischen Vergleich zu anderen Monstrositäten nicht abgesprochen
werden konnte, Leichtigkeit zum Himmel mauern zu wollen, so war natürlich die gewaltige
Baumasse nicht wegzudiskutieren. Ein gewaltiger über- und unterirdischer Ehrenhof
auf der Rückseite des Mahnmals verstärkte diesen Eindruck auch in der Horizontale,
zumal davor ein gewaltiges U-Boot aus dem zweiten Weltkrieg auf dem Strand das Ensemble
komplettierte.
Mit quietschenden Reifen stoppte
Petra Bester ihren Mini unmittelbar vor Stuhr. Sie stieg aus und hakte ihn kurzerhand
ein. An der Absperrung zum Ehrenmal, welche die Polizei provisorisch mit rotweiß
gestreiftem Plastikband vor dem Parkplatz gezogen hatte, hielt sie einem Polizisten
ihren Presseausweis so dicht unter die Nase, dass er keinen Buchstaben entziffern
konnte. »Petra Bester, Kieler Rundschau. Sagen Sie bitte Ihrem Einsatzleiter, dass
er ein echtes Problem hat, wenn er uns
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