Kullmann
das nun zwischen uns stehen könnte«, erklärte Anke zerknirscht.
»Sie lieben Robert wirklich sehr. Ich wünsche Ihnen, dass alles gut wird. Wieder fühle ich mich schuldig, weil ich nicht behutsam genug gehandelt habe. Ich habe mir oft geschworen, mich aus Ihrem Leben herauszuhalten. Trotzdem habe ich mich in dieser Angelegenheit eingemischt. Das tut mir Leid!« Kullmann ging so offen mit sich in Gericht, dass Anke neue Hoffnung schöpfte. In ähnlicher Weise hatte Kullmann sich bei ihr entschuldigt, als ihre Beziehung zu Hübner auseinandergegangen war. Auch damals fühlte er sich schuldig, als ob seine Sorgen um Anke das Scheitern der Beziehung verursacht hätten. Kullmann würde sie nicht im Stich lassen, das spürte sie auch heute. Auch wenn er seine Selbstanklage sicher übertrieb, so verstand sie das als Zeichen, dass das alte Band von tiefer Zuverlässigkeit sicher hielt. Das hatte sie in den letzten Jahren schätzen gelernt und das hatte ihr in den turbulenten Tagen gefehlt.
»Na ja, aus meiner Sicht habe ich die Grenze zwischen Dienst und Privatleben in der letzten Zeit etwas vernachlässigt«, bekannte sie lächelnd. »Trotzdem möchte ich Sie fragen, warum Sie Steven Dienhardt nicht sofort mitgenommen haben, als sie die Zusammenhänge erkannt haben.«
»Anfangs hielt ich ihn nicht für den Richtigen, weil er nach meiner Auffassung nicht die Intelligenz besitzt, seine Taten so ausgeklügelt durchzuführen.«
»Und dann hat seine Flucht Ihre Meinung geändert?«, schlussfolgerte Anke.
»Unter anderem auch, ja!«
Plötzlich wirkte Kullmann völlig zerknirscht, als er anfügte: »Nicht die Flucht allein hat mir die Augen geöffnet! Ich stand eine Weile auf dem Schlauch, bis ich begriff, was hier in den Büroräumen wirklich vorgefallen ist.«
Anke wurde blass und sagte leise: »Nun verstehe ich gar nichts mehr!«
»Nach der vielsagenden Begegnung zwischen Erik Tenes und Horst Esche habe ich mit den Kollegen in Köln telefoniert und herausgefunden, warum Esche wirklich versetzt worden ist. Außerdem weiß ich, dass Esche nicht Robert seine Beule am Kopf zu verdanken hat!«
Anke wusste nicht, welche Geschichte Esche Kullmann erzählt hatte. Nichtsdestotrotz machte es den Eindruck, als sei Kullmann hinter die ganze Wahrheit gekommen. Dieser Gedanke erschreckte sie.
»Sie brauchen nicht zu erschrecken, weil ich weiß, dass Sie völlig richtig gehandelt haben, und dass ich blind war. Ich habe einfach nicht sehen wollen, was sich hinter den Bürotüren ereignet hat, weil ich von Esche viel zu überzeugt war. Damit habe ich Sie im Stich gelassen und – das tut mir sehr Leid!«
Nach einer Weile fügte er an: »Ich kann nur gegen Esche vorgehen, wenn Sie ihn anzeigen!«
Aber Anke schwieg weiterhin.
Daraufhin lächelte Kullmann verlegen und fügte an: »Ich habe Ihren Schlagstock unter Ihrem Schreibtisch gefunden; und Theo entdeckte Blutspuren und Haarreste. Seitdem habe ich Esche nicht mehr zu Gesicht bekommen. Also gab es bisher noch keine Gelegenheit, ihn zur Rede zu stellen. Ich wollte mich ohnehin vorher mit Ihnen absprechen, wie ich vorgehen soll.«
Anke atmete auf, aber sie wollte sicher gehen: »Woher wissen Sie, was in diesen Büroräumen wirklich passiert ist?«
»Sie haben Ihren Schlagstock bestimmt nicht zum Nasenbohren benutzt«, scherzte Kullmann.
Anke lachte erleichtert auf.
Inzwischen hörten sie, dass die Kollegen nach und nach eintrafen und der gewohnte Arbeitslärm entstand. Für Anke war es ein Genuss, diese vertrauten Geräusche zu hören.
Eine Weile schwieg sie und versuchte, Kullmanns Aussage einzuordnen. Aber so sehr sie sich auch freute, dass Robert endlich aus der Schusslinie war, so konnte sie immer noch nicht Kullmanns Gedankengängen folgen.
»Wie kann mein Erlebnis im Büro zur Aufklärung der Polizistenmorde beigetragen haben?«
»Dadurch habe ich endlich begriffen, dass Esche ein falsches Spiel gespielt hat. Er hat von Anfang an von Steven Dienhardt gewusst, aber das hat er uns verschwiegen. Stattdessen treibt er schon die ganze Zeit sämtliche Ermittlungen zielstrebig auf Robert Spengler hin, was ihm scheinbar auch gelungen ist. Damit hätte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können: erstens Robert Spengler als Konkurrenten auszuschalten und zweitens die Lorbeeren für besonders gute Polizeiarbeit zu ernten.«
»Glauben Sie nicht, dass das zu weit geht, wenn Sie Esche das Motiv unterstellen, lediglich einen Konkurrenten auszuschalten?«, widersprach Anke
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