Kullmann
gesprochen haben«, erklärte Kullmann seinen Gedankengang.
»Ich erinnere mich nicht an eine solche Aktion. Allerdings kann ich ziemlich sicher behaupten, dass ich mit Hübner nicht mehr unterwegs war, seit wir uns getrennt haben.«
Kullmann erhob sich wieder von seinem Platz und meinte abschließend: »Trotzdem bleibt der Wachposten vor der Tür, bis der Schaden behoben ist. Und morgen freue ich mich darauf, Sie auf der Dienststelle zu begrüßen. Ich habe einen Fehler gemacht, als ich Sie beurlaubt habe und dafür entschuldige ich mich.«
Mit diesen Worten verließ er Anke. Sie glaubte zu träumen.
*
Anke war glücklich, wieder ihre Büroräume betreten zu können. Den letzten Tag hatte sie viel Zeit zum Schlafen gehabt; deshalb fühlte sie sich frischer denn je, um ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Als sie an Esches Dienstzimmer vorbeikam, fand sie es leer vor, was ihr nur recht sein konnte. Die Tür zu Hübners Büro war wieder geschlossen. Zaghaft öffnete sie sie einen Spalt und warf einen Blick hinein. Überrascht stellte sie fest, dass die persönlichen Dinge von Hübner entfernt worden waren. Während ihrer Abwesenheit waren die Kollegen also aktiv geworden, überlegte sie. Insgeheim war sie erleichtert, nicht selbst diese belastende Arbeit übernehmen zu müssen, obwohl sie sich bei diesem Gedanken wie ein Feigling vorkam. Hübner hatte ihr einmal sehr viel bedeutet, da war es schon beschämend, sich so aus der Affäre zu ziehen. Leise ließ sie wieder die Klinke ins Schloss fallen und setzte den Weg in ihr Büro fort. Kullmann erwartete sie bereits. Wie üblich betrat Anke sein Büro mit dem frisch gebrühten Kaffee, um ihren Chef in der gewohnten Weise begrüßen zu können.
»Liebe Anke, wie sehr habe ich das vermisst«, begrüßte sie Kullmann. Obwohl Anke sich immer darüber freute, wenn Kullmann ihr das Gefühl gab, willkommen zu sein, so spürte sie heute, dass da noch mehr war. Mit ihrer eigenen Tasse setzte sie sich ihrem Chef gegenüber und meinte: »Ich freue mich natürlich über den herzlichen Empfang, aber ich bin mir fast sicher, dass sich das nicht ausschließlich auf meine Person bezieht!«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich vermute mal, dass Sie neue Ermittlungsergebnisse ausbrüten. Daher könnte auch Ihre gute Laune kommen«, sagte Anke vorsichtig.
Nun musste Kullmann laut auflachen.
»Sie kennen mich wirklich gut und das freut mich«, bestätigte er, doch gleichzeitig legte er seine Stirn in Falten und fügte an: »Trotzdem gibt es etwas, was mich beunruhigt. Wir haben Steven Dienhardt immer noch nicht gefunden, trotz großer Fahndungsaktion. Seine überraschende Flucht gibt mir natürlich zu denken. Er gehört zum engsten Kreis unserer Verdächtigen; deshalb ist er als gefährlich einzustufen.«
»Glauben Sie, dass er der Polizistenmörder ist?«
»Zunächst wollte ich nicht glauben, dass er für diese raffinierten Delikte in Frage kommt. Aber seine Flucht lässt mich zweifeln, ob er nicht etwas Wichtiges vertuschen will. Er ist das Verbindungsglied zu allen Opfern und er hatte für jeden ein Motiv. Außerdem hatte er genügend Zeit, weil er arbeitslos ist. Deshalb konnte er jedem nachspionieren und dessen Gewohnheiten erfahren. Hinzu kommt noch, dass er sich als Sportschütze mit Waffen auskennt.«
Anke nickte zu Kullmanns Ausführungen. Nebenbei registrierte sie, dass dadurch der Verdacht von Robert zweifelsfrei abgefallen war. Sie konnte sich aber nicht darüber freuen, weil sie ein schlechtes Gewissen plagte. Sie selbst hatte Zweifel an seiner Unschuld gehabt und ihn das im falschen Augenblick spüren lassen. Nun erst merkte sie, wie beeinflussbar sie doch gewesen war. Wie sehr grämte sie nun ihre Erinnerung, ihre Angst und ihre Vorurteile nicht besser beherrscht zu haben. Andererseits hatte sie in der Situation große Angst verspürt – egal, wie unschuldig er war. Die eigene Waffe von der anderen Seite zu erblicken – das war ein Gefühl, als sähe man sein ganzes Leben wie einen Film ablaufen. Da konnte sie nicht mehr zwischen Vorurteil und Loyalität unterscheiden.
»Sie sehen nicht sehr glücklich aus, Anke!«, stellte Kullmann fest.
»Verstehe ich das richtig: Steven Dienhardt ist der Hauptverdächtige?«, vergewisserte Anke sich, bevor sie ihrem Chef antwortete.
»Ja! Robert Spengler ist entlastet. Mit welchen Gedanken quälen Sie sich?«
»Ich habe den Fehler gemacht, selbst an Roberts Unschuld zu zweifeln. Er hat das gespürt und ich befürchte, dass
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