Kullmann
»Ich kann mich beim besten Willen nicht an ein solches Gespräch erinnern.«
»Aber ich. Peter Biehler war dir gnadenlos in die Quere geritten, und daraufhin gab es dieses Wortgefecht zwischen euch beiden«, versuchte Anke Helmut Kellers Gedächtnis aufzufrischen. Aber Helmut Keller schüttelte beharrlich den Kopf: »Peter Biehler ist jedem in die Quere geritten und hat versucht, die Schuld auf andere zu schieben. Aber deshalb bringt man doch keinen um!«
Kullmann gab Anke zu verstehen, die Unterhaltung zu beenden. Also entfernten sie sich von ihm. Erst als der Abstand groß genug war, fragte Kullmann: »Was hatte Peter Biehler Robert immer vorgeworfen?«
Anke berichtete Kullmann von Roberts überraschender Erbschaft und von Biehlers verbalen Attacken, er habe sich diese Erbschaft erschlichen. Abschließend fügte sie an: »Er wollte mit allen Mitteln Roberts Ruf schädigen, was ihm aber nicht gelungen ist. Niemand hat ihm diese Geschichte geglaubt, ich auch nicht, weil Robert dazu gar nicht fähig wäre!«
Kritisch musterte Kullmann die Frau. Sein Blick verriet jedoch, dass er mit dieser Erklärung nicht zufrieden war.
Schweigend schlenderten sie über den Hof und schauten zu den Pferden, die neugierig ihre Köpfe aus den Boxenfenstern streckten. Hinter sich hörten sie das laute Gepolter eines Pferdes, das gerade von Helmut Keller in den Hänger verladen wurde. Kurze Zeit später kam er mit dem zweiten Pferd heraus und verlud es. Anke interessierte es zwar, was er mit den Pferden vorhatte, hatte aber nicht die geringste Lust, danach zu fragen. Zu unfreundlich war ihre Befragung mit ihm verlaufen, als dass sie noch das Bedürfnis verspürte, mit diesem Menschen zu plaudern.
Kullmann schaute sich eine Weile um, bis sein Blick auf die Reiterklause fiel.
»Wenn ich diese Klause sehe, fällt mir mein Hunger ein«, überlegte Kullmann laut. »Kann man dort etwas essen?«
»Ja sicher! Die gute Küche von Martha gibt es nicht, aber hier werden auch leckere Gerichte angeboten.«
»Da wir ja noch auf die übrigen Reiter warten müssen, schlage ich vor, wir vertreiben uns die Zeit bei einem Essen. Mit leerem Magen kann ich so schlecht denken«, schlug Kullmann kurz entschlossen vor. Gemeinsam stiegen sie durch den dunklen Gang die Treppe hinauf in den ersten Stock, wo sich die Reiterklause befand. Die Wirtin wirbelte schon fleißig in der Küche, weil der Reiternachwuchs oft am frühen Nachmittag Lust auf Spaghetti hatte.
»Hallo, Anke«, grüßte sie. »Setzt euch doch raus auf die Terrasse. Von dort könnt ihr den Reitern zugucken, ist doch viel interessanter.«
»Ich möchte aber nicht in der prallen Sonne sitzen«, wehrte Kullmann ab, aber die Wirtin hatte schnell eine annehmbare Lösung. Sie ging mit den beiden hinaus und spannte einen großen Sonnenschirm auf, so dass Kullmann dem Vorschlag gar nichts mehr entgegensetzen konnte. »Ich habe den Schwenker angeschmissen«, meinte sie noch ganz nebenbei. »Nachher kommen noch einige Gäste, die unbedingt Schwenkbraten essen wollen. Wenn ihr wollt, kann ich euch auch einen machen.« Bei dem Wort »Schwenkbraten« dachte Kullmann unwillkürlich an seinen großen Garten. Dort würde er, sobald er in Pension war, einen Grill aufstellen und den saarländischen Genüssen frönen. Schon jetzt konnte er sich darauf freuen.
Nach ihrer Bestellung stellte er Anke die Frage, die ihm auf der Seele brannte: »Wie gut kennen Sie Robert Spengler?«
»Ich habe ihn hier kennen gelernt«, wich Anke seiner Frage aus, aber Kullmann blieb beharrlich: »Ist er der Grund für das Leuchten in Ihren Augen?«
Auf Ankes Schweigen senkte Kullmann seinen Blick. An den Stirnfalten sah Anke, dass er weiter grübelte, bis er klar und ein wenig besorgt fragte:
»Obwohl Sie wussten, wer er war?«
»Ich habe es erst erfahren, als es mich schon erwischt hatte«, gestand Anke.
Kullmann schaute sie lange an, bis er meinte: »Sie tun nichts Unrechtes. Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen. Robert ist nicht schuld am Tod seiner Mutter, sein Alibi ist wasserdicht.«
Erleichtert atmete Anke auf.
Kullmann überlegte eine Weile und meinte dann: »Robert müsste jetzt genau vierzig Jahre alt sein. Wenn ich mich recht erinnere, ist er im Dezember geboren.«
Wieder spürte Anke bei den Überlegungen, die Kullmann gerade anstellte, dass der Fall Luise Spengler sehr eng mit Kullmanns eigener Vergangenheit verbunden war. Schweigend warteten sie auf ihre Bestellungen.
Als die Wirtin mit den
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