Kullmann
Stunden mit Robert denken müsste. Im Gegenteil, es würde sie nur belasten, weil sie schon seit zwei Tagen auf ein Zeichen von Robert wartete. Mit einem aufgesetzten Lächeln lehnte sie das Angebot ab. Hübner war sichtlich enttäuscht. Unentschlossen stand er im Türrahmen und fragte: »Was muss ich tun, um bei dir wieder eine Chance zu haben?«
»Gar nichts, weil wir nicht mehr zusammenkommen werden. Ich bin froh, dass wir uns als Freunde und Kollegen gut verstehen; irgendwann musst du das akzeptieren. Mit deinen schönen Bemühungen erreichst du nichts!«
Wie mit einem Maulkorb verließ Hübner das Zimmer.
Mit dem Autopsiebericht in der Hand betrat Kullmann Ankes Büro und legte ihn auf ihren Schreibtisch. Er setzte sich ihr gegenüber und wartete, bis Anke alles gelesen hatte.
»Was halten Sie davon?«, fragte er, als sie endlich aufblickte.
»In dem Bericht steht, dass Peter Biehler aus nächster Nähe erschossen wurde. Da keine Spuren von Gegenwehr festgestellt wurden, bedeutet das, dass er seinen Mörder gekannt hat«, folgerte sie daraus.
Kullmann nickte bedächtig, ohne sie aus den Augen zu lassen.
»Peter ist unter haargenau den gleichen Bedingungen getötet worden wie Walter Nimmsgern«, fügte sie noch an, weil sie glaubte, dass Kullmann auf mehr wartete.
»Und was soll uns das sagen?«, fragte Kullmann.
»Dass wir es mit einem Mörder zu tun haben, der die beiden gut gekannt hat?«, vermutete Anke.
»Richtig! Nur wen haben die beiden gekannt, der zu derart grausamen Taten fähig ist?«, überlegte Kullmann. »Es gibt da etwas, was wir übersehen. Nimmsgern hatte an dem Fall Luise Spengler gearbeitet. Peter Biehler war bei der Verkehrspolizei. Wir sollten nach einem Zusammenhang suchen!«
Schlagartig fiel Anke wieder das Streitgespräch zwischen Robert und Peter ein. Peter wollte Robert mit dem Vorwurf der Sterbehilfe vernichten. Andererseits war Robert der Sohn der unter fragwürdigen Umständen verstorbenen Luise Spengler. Da könnte es einen Zusammenhang geben! Diese Vermutung konnte sie unmöglich laut sagen. Was würde mit Robert geschehen, wenn sie etwas aussprach, was ihm schaden könnte? Gut kannte sie Robert ja noch nicht, aber sie spürte in ihrem tiefsten Innern, dass sie ihm einen Mord nicht zutraute. Bislang hatte sie ihn als sehr feinfühlig erlebt. Wenn sie sich daran erinnerte, wie liebevoll er mit seinem Pferd umging, wie besorgt er sich um sie gekümmert hatte, als sie vom Pferd gefallen war und wie viel Liebe in seinem Blick war, wenn er sie ansah. Nein, dieser Mann konnte kein kaltblütiger Mörder sein. Also schwieg sie. Außerdem befürchtete sie, durch einen voreiligen Verdacht die zarten Bande zu zerstören, die sich schon zwischen ihnen entwickelt hatten. Andererseits spürte sie jetzt umso stärker ihre Zweifel, wenn sie ihn in der Nähe von Doris sah. Nur mit einiger Mühe konnte sie ihre nagende Eifersucht unterdrücken. So leicht wollte sie ihre große Hoffnung nicht aufgeben.
»Sie sind so still, Anke! Was denken Sie?«, beobachtete Kullmann die junge Kollegin, die in sich zusammengesunken an dem Schreibtisch saß. »Wenn ich Sie so ansehe, sehe ich etwas, was mir nicht gefällt!«
Anke schaute ihren Chef an. Plötzlich war sie hellwach.
»Ich glaube nämlich zu wissen, wo es einen Zusammenhang gibt. Und Sie haben ihn auch erkannt«, sprach Kullmann weiter, seine Augen ganz unverwandt und mit höchster Aufmerksamkeit auf Anke gerichtet.
»Ich denke, dass Peter Biehler sich sein Grab selbst geschaufelt hat«, sprach Anke mit voller Überzeugung. »Dazu braucht es keinen Serienmörder aus Amerika und keinen Zusammenhang zu dem Mord an Walter Nimmsgern. Der hatte so viele Feinde, dass das halbe Saarland in Frage kommt!«
»Und Walter Nimmsgern?«, bohrte Kullmann prüfend weiter.
»Dazu hatten Sie doch schon eine Vermutung geäußert, dass möglicherweise der verschwundene Bericht der Spurensicherung den Schlüssel liefert! Wir haben Nimmsgerns Haus durchsuchen lassen, außerdem hat das Labor alles wieder auf den Kopf gestellt, nichts. Der Bericht befindet sich mit Sicherheit bei seinem Mörder!«
»Sie haben viel gelernt, liebe Anke«, lachte Kullmann. »Ich hoffe nur, dass Sie auch die richtigen Schlüsse daraus ziehen.«
Schon wieder ahnte Anke, dass Kullmann ihr mehr erlaubte, als zulässig war. Sollte er sie wirklich so schnell durchschaut haben? Der Gedanke verängstigte sie, weil sie ihren Chef niemals enttäuschen wollte. Sie befand sich in einer
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