Kullmann
hörte sie Kullmann kommen. Wie immer brachte sie ihm den Kaffee. Kullmann bedachte ihr blasses Gesicht mit einem prüfenden Blick und bat sie, Platz zu nehmen. Neugierig setzte Anke sich und hielt dabei immer noch die Kanne in der Hand. Kullmann nahm sie ihr aus der Hand und bemerkte unzufrieden: »Unsere Zusammenarbeit steht zur Zeit auf einem schweren Prüfstand! Ich habe den Eindruck, dass Sie mir wichtige Informationen vorenthalten!«
Anke wurde ganz mulmig zumute.
»Kann es sein, dass Sie Robert Spengler um jeden Preis schützen wollen?«
Mit dieser Frage riss Kullmann seine junge Kollegin völlig aus dem Gleichgewicht. Fassungslos fragte sie zurück: »Wieso Robert schützen? Dazu gibt es doch gar keinen Grund.«
»Leider sehen die Dinge anders aus. Verzweifelt haben wir nach einem Zusammenhang zwischen den drei ermordeten Kollegen gesucht. Nun haben wir ihn: Es ist Robert Spengler. Nimmsgern war bei seinen Ermittlungen zum Tod seiner Mutter vermutlich auf Indizien gestoßen, die auf einen Mord hinweisen. Das könnte ein Motiv für Robert Spengler gewesen sein. Mit Peter Biehler hatte Robert heftige verbale Auseinandersetzungen. Biehler hat in aller Öffentlichkeit damit gedroht, ihm Sterbehilfe an seiner Erbtante nachzuweisen. Von Hübner wissen wir, dass er mit Biehler befreundet war und ihm helfen wollte, Robert Spenglers mörderische Erbschleichereien aufzudecken. Diese drei Polizisten sind nun tot.«
Nach dieser Erklärung schaute er Anke eindringlich an, aber sie schwieg.
»Diese Zusammenhänge lassen den Schluss zu, dass Robert unser Hauptverdächtiger ist, ob uns das nun gefällt oder nicht! Wollen Sie immer noch behaupten, Robert Spengler sei harmlos und Sie hätten nichts zu befürchten? Sie haben sich gestern Abend in Lebensgefahr gebracht. Die Stelle, an der wir glücklicherweise noch rechtzeitig eingreifen konnten, ist für einen perfekten Mord bestens geeignet.«
Kullmann machte eine kurze Pause.
»Sehen Sie nicht, welche Gelegenheit er sich mit diesem Abgrund geschaffen hatte? Ein Fenstersturz wurde bereits praktiziert. Ein Sturz vom Abhang wäre die Wiederholung eines Verbrechens, das sich als sehr effektiv erwiesen hat. Es ist tödlich und hinterlässt keine Spuren. Wenn sich unser Verdacht bestätigt, ist dieser Mann sehr gefährlich.«
Anke schwieg weiter, aber ihr Kopf arbeitete wie wild. Blitzartig fiel ihr auf, dass Kullmanns Vermutungen Esches Handschrift trugen. Sein Plan funktionierte: Esche versuchte einen Keil zwischen sie und Robert zu treiben. Erstaunt fragte sie sich nur, wie er es in der kurzen Zeit schaffen konnte, Kullmann von diesen so genannten Zusammenhängen so imponierend zu überzeugen.
Ganz allein stand sie da. Esche hatte seine hinterhältigen Spielchen mit ihr getrieben, wenn sie unbeobachtet waren. Diese Geschicklichkeit kam ihm zugute und brachte sie in eine äußerst ungünstige Lage. Bisher hatten die Kollegen ihr nicht geglaubt, als es um harmlose Annäherungsversuche ging. Warum sollten sie ihr jetzt glauben, wo es um etwas wirklich Schwerwiegendes ging? Aber auf keinen Fall wollte sie Robert verlieren. Also konterte sie, ohne Kullmann anzuschauen: »Ich finde das alles einfach lächerlich. Robert war an dem Wochenende, als seine Mutter starb, am Bodensee. Er kann sie nicht getötet haben!«
Wütend erwiderte Kullmann: »Sie haben sich schon von seinen blauen Augen blenden lassen. Robert ist der klassische Frauenheld, der den Frauen schon immer etwas vormachen konnte. Als ich Ihnen sagte, dass er ein Frauentyp sei, wollte ich Ihnen sagen, dass Sie auf sich aufpassen sollen. Und was tun Sie? Sie bringen sich in große Gefahr!«
»Robert und ich wollten gestern Abend einen Ausritt machen und das schöne Wetter genießen, da kommen Sie mit der gesamten Spezialeinheit und mischen sich brutal in eine private Angelegenheit ein«, empörte Anke sich. »Niemals wollte er mich umbringen!«
Wütend geworden ging der Alte auf und ab, bis er vor Anke stehen blieb und fragte: »Sind Sie wirklich so blind? Private Angelegenheit ! Wie lange geht das schon mit Ihnen und Robert?«
Da musste Anke nicht lange überlegen: »Bestimmt schon zwei Tage!«
»Zwei Tage?«, staunte Kullmann. »Da habe ich etwas anderes gehört!«
Nun hatte Anke die Bestätigung für das, was sie sich eben noch gefragt hatte. Esche hatte seine Drohung wahr gemacht. Zwar war es ihr immer noch ein Rätsel, wie er das alles in dieser kurzen Zeit und noch dazu mit einem angeschlagenen Kopf
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