Kullmann
überhaupt nur auf den Gedanken kommen konnte, er habe drei Menschen getötet!
Während sie sich mit diesen Gedanken beschäftigte, wurde sie durch Rondos lautes Wiehern abgelenkt. Zufrieden ging sie zu dem Fuchswallach und streichelte über seine samtweichen Nüstern. Als Anke ihn aus der Box führen wollte, um ihn zu putzen, kam Susanne zurück und meinte schroff: »Tut mir wirklich Leid, aber heute kannst du Rondo nicht reiten, weil er den ganzen Nachmittag im Schulbetrieb eingesetzt ist. Warum bist du gestern nicht gekommen, da war Rondo den ganzen Tag frei?«
Aber auch auf diese Frage von Susanne ging Anke nicht ein. Den vergangenen Tag hatte sie zwischen quälenden Selbstvorwürfen und Enttäuschungen verbracht. Heute war sie einfach nur froh, dass das Tief von gestern vorüber war. Enttäuscht verließ Anke die Box. Verständnislos schaute der Wallach sie mit seinen großen dunklen Augen an, dass es Anke fast das Herz brach. Aber sie hatte keine andere Wahl. Völlig unvorbereitet durch Susannes Zurechtweisung schlenderte sie durch die Stallgasse.
Robert kam vorgefahren.
Darüber war sie sehr erstaunt, weil er erst vor zwei Tagen unter sehr unwürdigen Bedingungen festgenommen worden war.
Sie freute sich, ihn zu sehen. Sofort begann ihr Herz wie wild zu klopfen.
Freudig ging sie auf ihn zu. Roberts Gesichtsausdruck wirkte bedrückt. Trotzdem begrüßte er Anke mit einer Umarmung.
»Wie ist es dir in den letzten Tagen ergangen?«, fragte Anke besorgt.
Müde lächelte Robert und meinte leise: »Ich war verdammt einsam! In einer Zelle, so ganz allein, da hat man Gelegenheit, nachzudenken. Und ich musste feststellen, dass mein Leben bisher sehr lebenswert gewesen ist, bis diese unangenehmen Dinge geschehen sind. Hoffentlich irrt sich die Justiz nicht in meinem Fall!«
»Solange Kullmann daran arbeitet, bestimmt nicht«, meinte Anke zuversichtlich.
»Deine Stimme zu hören, tut mir wirklich gut. Meine Güte, wie sehr habe ich dich vermisst.«
Zusammen schlenderten sie durch die Stallgasse, als sie an Helmut Kellers leeren Boxen vorbeikamen. Kopfschüttelnd blieb Robert davor stehen und meinte: »Ich verstehe das nicht. So ein Angebot lehnt kein normaler Mensch einfach so ab und verkauft dazu noch die Pferde, die seine berufliche Garantie waren. Was da wohl passiert ist?«
»Helmut Keller behauptete, seine Pferde seien krank«, überlegte Anke.
»Das kann nicht sein, weil er sie noch am Tag zuvor geritten hat. Außerdem habe ich in letzter Zeit keinen Tierarzt am Stall gesehen, den man ja zuerst ruft, wenn ein Pferd krank ist. Verkauft hat er sie, was ich nicht verstehen kann. Damit hat er sich seine Sicherheit, nach Warendorf zu kommen, verspielt!«
»Na ja, vielleicht wollte er doch nicht mit Ludger Beerbaum und Markus Ehning in einer Mannschaft reiten«, überlegte Anke schulterzuckend, »wer weiß, was in Helmut Keller vorgegangen ist!«
Gemeinsam fuhren sie in Roberts Wohnung. Auf dem Balkon mit Blick zu den Saarwiesen klappten sie die Liegestühle auf. Beide konnten nicht sprechen, weil die Ereignisse der letzten Tage schwer auf ihnen lasteten. Erst gegen Abend, als die Sonne sich über die Saar senkte und ein sanftes Licht verbreitete, erzählte Robert, was ihn am meisten belastete: »Man hat angeblich die Tatwaffen in meiner Mülltonne hinter der Wohnung gefunden!«
Anke erschrak. Von der jüngsten Entwicklung der Ermittlungsarbeiten wusste sie nichts mehr, seit sie auf Kullmanns Anraten hin Urlaub genommen hatte. Deshalb war sie fassungslos, als sie das hörte. Aber mit dem nächsten Satz beantwortete Robert sogleich eine Frage, die sofort in Ankes Kopf herumspukte: »Ich verstehe nicht, wie sie dahin gekommen sind. Aber wird mir die Polizei überhaupt noch glauben, nachdem die Beweise so schwerwiegend gegen mich sind?«
Seine blauen Augen schauten Anke verzweifelt an. Das sprühende Leben, der Optimismus und die Heiterkeit waren daraus verschwunden.
Zunächst konnte Anke ihm darauf keine Antwort geben. Lange musste sie überlegen, bis ihr endlich ein Gedanke kam, der sie traf wie ein Blitz!
»Wer war denn bei der Hausdurchsuchung anwesend?«, fragte sie.
»Dein Chef Kullmann, die Spurensicherung und Horst Esche!«
Anke erkannte, dass ihre schlimmsten Befürchtungen sich bewahrheitet hatten. Esche hatte wirklich nichts dem Zufall überlassen. Die Beweislage schien so erdrückend, dass es fast keine Zweifel mehr geben konnte. Aber konnte Esche tatsächlich ein solches Lügengebäude
Weitere Kostenlose Bücher