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Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur

Titel: Kultur 04: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain Banks
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Superbomben Knallfrösche und ihre Crays minderer als
Taschenrechner sind; ein Schiff von lässiger Erhabenheit in
seiner unbezwingbaren Kraft und unerschöpflichen Weisheit…
Hier sind wir mit unserem Schiff und unseren Modulen und unseren
Plattformen, Satelliten und Landefahrzeugen und Drohnen und Wanzen
und durchsieben ihren Planeten nach seinen wertvollsten Kunstwerken,
seinen heikelsten Geheimnissen, seinen edelsten Gedanken und
größten Leistungen; wir plündern ihre Zivilisation
gründlicher und umfassender als alle Eindringlinge in ihrer
Geschichte zusammengenommen; wir geben keinen Pfifferling für
ihre erbärmlichen Waffen und zollen hundertmal mehr
Aufmerksamkeit ihrer Kunst und Geschichte und Philosophie als ihrer
kümmerlichen Wissenschaft; wir betrachten ihre Religionen und
ihre Politik in der Weise, wie ein Arzt Symptome betrachtet… Und
trotz alledem, trotz all unserer Macht und unserer Überlegenheit
hinsichtlich Fortschritt, Wissenschaft, Technologie, Denken und
Verhalten gab es hier diesen armen Tropf, der in sie vernarrt war,
während sie nicht einmal wußten, daß er existierte,
der in ihren Bann geschlagen war und sie anbetete; und der machtlos
war. Ein unmoralischer Sieg für die Barbaren.
    Nicht daß ich selbst in einer wesentlich besseren Position
gewesen wäre. Vielleicht strebte ich genau das Gegenteil von
Dervley Linter an, aber ich bezweifelte sehr, daß ich
meinerseits damit durchkommen würde. Ich wollte nicht weg von
hier, ich wollte sie nicht von uns verschonen und sich selbst
vernichten lassen; ich wollte, daß wir uns in höchstem
Maße einmischten; ich wollte an diesem Ort mit einem Programm
zuschlagen, auf das Lev Dawidowitsch stolz gewesen wäre. Ich
hätte mit Wonne zugesehen, wie sich die Junta-Generäle in
die Hosen machten, wenn sie erkannten, daß die Zukunft –
nach irdischen Begriffen – rot, leuchtend rot sein
würde.
    Natürlich hielt mich das Schiff ebenfalls für
verrückt. Vielleicht stellte es sich vor, daß wir, Linter
und ich, uns gegenseitig auf irgendeine Weise aufheben und beide zur
Vernunft kommen würden.
    Linter wollte also, daß mit diesem Planeten überhaupt
nichts geschähe, und ich wollte, daß alles mögliche
mit ihm geschähe. Das Schiff – gemeinsam mit welchen
Gehirnen auch immer, die bei der Entscheidung über die
Vorgehensweise mitwirkten – stand letzten Endes wahrscheinlich
Linters Auffassung näher als meiner, aber genau das war der
Grund, weshalb der Mann nicht bleiben konnte. Er würde sich als
eine aufs Geratewohl eingestellte Zeitbombe erweisen, die mitten in
einem unverseuchten Experiment vor sich hintickte, zu dem die Erde
vermutlich werden würde; ein Päckchen mit
Strahlenverseuchung, mit dem dem ganzen Unternehmen jeden Augenblick
auf Heisenbergsche Weise ein Ende bereitet werden konnte.
    Im Moment gab es nichts mehr, was ich in bezug auf Linter noch tun
konnte. Er sollte erst einmal über das nachdenken, was ich
gesagt hatte. Vielleicht würde allein schon das Wissen,
daß ihn nicht nur das Schiff für töricht und
selbstsüchtig hielt, eine entscheidende Wende bringen.
    Ich überredete ihn, mich in dem Rolls Royce durch Paris zu
kutschieren und mir alles zu zeigen, und dann speisten wir –
vorzüglich – am Montmartre und landeten schließlich
am Rive Gauche, wo wir durch ein Labyrinth von Straßen
schlenderten und eine schändliche Menge an Weinen und
Schnäpsen probierten. Ich hatte ein Zimmer im George reserviert,
blieb aber für diese Nacht bei Linter, einfach weil es als das
natürlichste erschien – besonders in unserem betrunkenen
Zustand –, und es war sowieso eine ganze Weile her gewesen,
daß ich mich während der Nacht in jemandes Arme hatte
kuscheln können.
    Am nächsten Morgen, bevor ich nach Berlin aufbrach, stellten
wir beide genau das richtige Maß an peinlicher Berührung
zur Schau, und so trennten wir uns als Freunde.

 
    3.3: Entwicklungshemmung
     
    Der bloße Gedanke an eine Stadt hat etwas an sich, das von
zentraler Bedeutung für das Verständnis eines Planeten wie
die Erde ist und insbesondere für das Verständnis jenes
Teils der damals existierenden Gruppenzivilisation, * die sich selbst als ›der Westen‹ bezeichnete (das war der
Verein, mit dem ich am meisten zu tun hatte). Dieser Gedanke findet
meines Erachtens seine materialistische Verherrlichung in Berlin.
    Vielleicht erleide ich jedesmal eine Art Schock, wenn ich ein
tiefgreifendes Erlebnis habe; ich bin mir nicht sicher, nicht einmal
in

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