Kultur für Banausen - alles was Sie wissen müssen, um mitreden zu können
die kultivierten Klänge der Gebildeten und Höhergestellten, die nichtnur von den neuen Rhythmen, sondern auch von den womöglich aufrührerischen oder anzüglichen Texten provoziert werden sollen.
Die dritte Spannung ist jene zwischen Jung und Alt. Popmusik ist die Musik der Jungen. Die Eltern schütteln den Kopf und halten sich die Ohren zu, wenn ihre Kinder in ihren Zimmern mal wieder die Anlage zu laut aufdrehen. Ob Rock ’n’ Roll, Hard Rock, Punk, Techno oder Hiphop, stets steckt ein gehöriges Stück Abgrenzung der Jungen gegen die Alten dahinter. Kinder hören einfach andere Musik als ihre Eltern. Hirnforscher können inzwischen belegen, dass die Musik, die wir in unserer Jugend hören, die größten Reize in unserem Gehirn auslöst. Damit wird klar, warum Popmusik mehr ist als nur Musik. Die Kinder kleiden sich natürlich auch anders als ihre Eltern, sie sprechen anders, ihnen sind andere Dinge wichtig. Popmusik und Jugendkultur gehören eng zusammen. Dieser Abgrenzungsprozess ist ebenso natürlich wie notwendig.
Das ist auch der Grund, warum sich die Popmusik so schnell verändert. Sie bedarf des ständigen Nachschubs. Die unkonventionelle Musik von heute ist die konventionelle Musik von morgen. Was heute noch die Musik der Jungen ist, wird schon in wenigen Jahren die Musik der Älteren sein, die ihrerseits Kinder haben. Anders als in der Klassik, in der viele Künstler gerade auf Kontinuität setzen, müssen Popmusiker stets ihre Originalität und Einmaligkeit beweisen. Und die jungen Fans der Popmusik müssen zeigen, dass ihre Lieblingsmusik völlig unvereinbar ist mit der Lieblingsmusik der Älteren.
Ein kurzer Streifzug durch die Stile
Die Geschichte der Popmusik beginnt mit dem Rock ’n’ Roll. Das war zunächst schwarze Musik aus Amerika: Künstler wie Litte Richard oder Fats Domino spielten Ende der 50er-Jahre schnellere, lautere, aggressivere Stücke als ihre Kollegen. Sie verstärkten ihre Instrumente elektronisch und gebärdeten sich auf der Bühne gegen die üblichen Regeln (Little Richard beispielsweise spielte auf dem Klavier mit seinen Füßen). Die Erwachsenen waren entsetzt, die Jugendlichen begeistert und kreischten sich um Sinn und Verstand.
Die weiße Variante des Rock ’n’ Roll verkörperte zeitgleich idealtypisch Elvis Presley (1935–1977). Er sang weicher, harmonischer als die schwarzen Sänger. Seine Unkonventionalität äußerte sich im lasziven Hüftschwung. Presley war einer der ersten Popkünstler, der von seinen Fans zum Star, zur Personifizierung eines geradezu religiös aufgeladenen Ideals erhöht wurde.
Anfang der 60er-Jahre fand die weitere Popentwicklung zunächst in Großbritannien statt. Entgegen der Konvention der großen Konzerte setzten vier junge Musiker aus Arbeitervierteln auf die Einfachheit der Rhythmen, der Melodien, der Texte und der Instrumente: drei Gitarren, ein Schlagzeug – die Beatles (1960–1970) schufen mit ihrer Musik ein globales Massenphänomen. Und sie waren kommerziell so erfolgreich wie niemand zuvor. Im Jahr 1964 belegten ihre Songs gleichzeitig die ersten fünf Plätze der amerikanischen Verkaufscharts.
Nach den Beatles kamen Gruppen, die härtere und auch aufwendigere Musik machten. Auf den Rock (Rolling Stones , The Who) folgte Ende der 60er-Jahre der Hard Rock (Deep Purple , Led Zeppelin) , und Musik und Texte bekamen einen noch stärkeren subkulturellen Charakter. Währenddessen definierte sich die schwarze Musik in Amerika programmatisch als Soul; ein Sammelbegriff, der sowohl die Emotionalität und Tanzbarkeit dieser Klänge markieren sollte als auch das Selbstbewusstsein der afro-amerikanischen Sänger: Soul bedeutet Seele.
Mitte der 70er-Jahre gab es erneut einen radikalen Schnitt, für eine deutliche Absage an das längst Etablierte gekommen. In jenen Arbeiterbezirken Englands, in denen die Lebensqualität besonders schlecht war, entstand der Punk – eine harte, laute, grelle Musik zu peitschenden Rhythmen, bewusst aggressiv und monoton, mit wütenden, latent oder auch offen gewalttätigen Texten (eine wichtige Punk-Band heißt Sex Pistols ). Das Motto war »No Future« (also: keine Zukunft) und wurde auch in Kleidung, Frisur und Lebenshaltung umgesetzt.
Der Punk ist aber auch ein Beispiel dafür, wie aus einer radikalen Protestkultur nach und nach ein angepasster Lebensstil wird. Denn nicht nur die großen Plattenfirmen nahmen sich der Musik an, auch die Modeschöpfer und Designer erkannten das kreative Potenzial
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