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Kunst hassen

Kunst hassen

Titel: Kunst hassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Zepter
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der Stadt für sich entdeckt hat« und sich von dem Bau der Nationalgalerie, einem Pavillon Mies van der Rohes, »magisch angezogen fühlte«, während »die Transparenz der Halle sie augenblicklich begeisterte«. Weiter: »Hier war das Werk eines Künstlers, mit dem sie sich kongenial verbunden fühlte.« Außerdem betont der Text, dass Jenny Holzer »ihre Texte immer selbst schreibt«.
    Die Neue Nationalgalerie ist ein architektonisch fester, prägnanter Bestandteil der Berliner Museumslandschaft: ein Pavillon aus Glas und Stahl. Mies van der Rohe hatte ihn Ende der 1960 er Jahre kurz vor seinem Tod fertiggestellt. Das Haus zeigt Kunst der Klassischen Moderne. Also Kunst, die von Beginn des 20 . Jahrhunderts bis in die 1960 er Jahre reicht. Expressionismus, Kubismus, Surrealismus, Bauhaus. In den unteren Räumen zeigt die Neue Nationalgalerie »Moderne Zeiten«, eine Sammlungspräsentation ihrer Werke aus den Jahren 1900 – 1945 . Udo Kittelmann ist der Direktor der Neuen Nationalgalerie. Man kann ihn an diesem Tag nicht sehen, aber hören. Das ist ein bisschen seltsam, er begrüßt jeden Hörer des Audioguides persönlich: »Guten Tag, ich bin Udo Kittelmann, der Direktor der Nationalgalerie«, beginnt er, »undzur Nationalgalerie gehören insgesamt sechs Häuser. Die Neue Nationalgalerie, in der Sie sich in diesem Moment befinden, die Alte Nationalgalerie, der Hamburger Bahnhof – das Museum für Gegenwartskunst, die Friedrichwerdersche Kirche und die beiden Häuser in Charlottenburg: das Museum Berggruen und die Sammlung Scharf-Gerstenberg. Aber jetzt darf ich Sie zunächst ganz herzlich willkommen heißen zur Neupräsentation der Sammlung der Nationalgalerie von den Jahren 1900 bis 1945 unter dem Titel ›Moderne Zeiten‹. Und wahrscheinlich erinnern Sie sich, wenn Sie diesen Titel hören, auch an Charlie Chaplins berühmten Film, der 1936 uraufgeführt wurde, der den gleichen Titel trägt. Das ist natürlich beabsichtigt.«
Inspiration auf Knopfdruck
    Der Blick im Foyer fällt zunächst auf das Gemälde »Zwei Schwestern« von Fernand Léger, zwei graue, industriell anmutende Körper vor knallgelbem Hintergrund. Direkt daneben klebt in großen Lettern der Titel ›Moderne Zeiten‹ an der Wand. Eine Aufsicht in Uniform wartet am Eingang des Ausstellungsbereichs, während Direktor Udo Kittelmann mit wohlwollender Stimme erzählt: »Insofern bietet die Sammlung ›Moderne Zeiten‹ nicht nur eine Kette von Meisterwerken zum puren ästhetischen Genuss von Kunst, sondern sie regt in ihrer Vielfalt sicherlich auch an zur Reflexion über Geschichte, Kunst, Gesellschaft und Politik. Bei diesem Rundgang darf ich Ihnen viel Freude und Inspiration wünschen.« Was so beiläufig als Schlusssatz des Audioguides daherkommt, ist der hohe Anspruch, den ein Kunstmuseum heute erfüllen möchte: Reflexion über Geschichte, Kunst, Gesellschaft und Politik.Sowie: viel Freude und Inspiration. So viel Anspruch muss erst einmal erfüllt werden.
    Was in der Ausstellung zu sehen ist: Das Porträt einer Gruppe an einem Sommerabend in Potsdam, gemalt von Lotte Laserstein. Viel Malerei, ein wenig Skulptur. Werke von August Macke, Lionel Feininger, Otto Dix, Kurt Schwitters, Oskar Schlemmer, Ludwig Kirchner, Rene Magritte, Franz Marc, Kandinsky, Mondrian, Moholy-Nagy. Nebeneinander und auf gleicher Höhe gehängt, so dass die Besucher von Gemälde zu Gemälde schreiten, dann wieder von einem Gemälde ablassen, ihren Audioguide zurechtrücken, sich vor einem neuen Werk positionieren, die Hände in die Hüfte gestemmt, andächtig dem Kommentar auf ihren Kopfhörern lauschend. Nicht mehr als drei Sekunden im Durchschnitt bleibt ein Museumsbesucher vor einem Werk stehen. Eine kleine Gruppe versammelt sich und steht schweigend vor Klees »Abfahrt«, wenig später vor Ludwig Kirchners »Potsdamer Platz«. Sie recken ihre Köpfe, als müssten sie noch einmal genauer hinsehen. Es gibt wenig korrespondierendes Material: einen Briefwechsel zwischen Max Beckmann und der Nationalgalerie, einen Ausschnitt aus Charlie Chaplins »Moderne Zeiten«, Walther Ruttmanns Film »Sinfonie der Großstadt«.
    Was in der Ausstellung nicht zu sehen ist: Die Geschichte hinter der Ausstellung und ihren Werken. Was genau die Absicht der Neupräsentation dieser Sammlung ist. Warum diese Werke so gehängt wurden. Warum diese Gemälde und Skulpturen gekauft wurden und nicht andere. Warum gerade diese Künstler Meisterwerke geschaffen haben. Welche Qualitätskriterien

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