Kunstblut (German Edition)
war Steen, Schwarzenbergers Videokünstler. Sein Anzug sah fast aus wie meiner. Ich ging zu ihm hin und stieß ihn an. Er glotzte blöde, erst auf mich, dann auf sein Handy, schließlich steckte er es ein.
»Was wollen Sie?«, fragte er heiser.
»Sie kannten Swann«, sagte ich.
»Ja und?« Er schob sein Kinn vor.
»Warum ist er durchgedreht?«
»Woher soll ich das wissen? Er war wohl irre.«
»Was war zwischen van Wygan und Swann?«
»Swann war nicht mehr gut. Das ist alles. Vielleicht lag es daran, dass er ein Psychopath war.« Er wollte sich wegdrehen, doch ich hielt ihn am Arm fest.
»Haben Sie Ihre Toten gefilmt?«
Er hob die Linke und zeigte mir ein verschmortes Etwas. »Vielleicht kann ich wenigstens die Bilder retten.«
»Werden Sie sie verwenden?«
»Was denken Sie denn?«
Er riss sich von meiner Hand los, überstieg das Absperrband und ging in Richtung Rheinufer, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Ich machte mich auf die Suche nach einem Polizisten, der meine Aussage zu Protokoll nehmen würde, aber in dem Durcheinander zwischen den Streifenwagen interessierte sich niemand für mich, und ich beschloss, Fahrenbachs Befehl zu vergessen. Auf der Ratinger fing ich mir ein Taxi. Der Fahrer sah angewidert auf meinen Anzug, aber die Geschehnisse in der Akademie hatten sich weit genug herumgesprochen, um ihn so gnädig zu stimmen, mich nach Hause zu bringen.
* * *
Ich blieb sehr lange unter der Dusche und spuckte immer wieder schwarz-graue Klumpen in den Abfluss. Der Rest meines Helmut-Lang-Anzugs steckte zusammen mit meinen Alden-Schuhen in einem Müllbeutel. Als ich endlich das Gefühl hatte, wieder sauber zu sein, schlurfte ich in meinem dicksten Bademantel an die Bar und opferte den letzten Rest des Calvados der notwendigen Steigerung meines Wohlbefindens. Ich fühlte mich erledigt, zu erledigt selbst zum Harfe spielen. Also kramte ich in meinen Platten und zog »A Kind Of Blue« von Miles Davis heraus. Sie schien mir für meinen momentanen Zustand optimal. Der Diamant des Thorens senkte sich, und das kaum ahnbare Rauschen der Leerrille vor dem ersten Stück begann. Dessen Titel »So What« konnte nicht besser passen.
Man hatte mich mal wieder fast umgelegt. Man hatte mal wieder bewiesen, dass die Welt voller Scheiße war, und die Welt weigerte sich mal wieder, eine anständige Erklärung dafür abzugeben. Aber wenigstens hatte ich die Möglichkeit, den ganzen Mist in einer angenehmen Umgebung zu ertragen: »So What?«
Ich trank den Calvados aus und summte mit geschlossenen Augen Paul Chambers’ groovende Basslinie mit.
Es klingelte.
Bewegungslos blieb ich sitzen, aber es klingelte noch zwei weitere Male. Ich griff zum Telefon und meldete mich an der Türsprechanlage.
Es war Arnie Koppmann.
»Was willst du?«, fragte ich.
»Mit dir reden.«
»Muss das jetzt sein?«
»Ich denke schon.«
Arnie dachte. Ich drückte die Taste für den Öffner und ging zum Tisch, auf dem meine Kimber lag. Mit ihr in der Hand trottete ich zur Wohnungstür, legte die Kette vor und öffnete. Durch den Spalt sah ich Arnie aus dem Aufzug treten, den linken Arm mit Verbandszeug an den Oberkörper gefesselt.
»Komm, lass mich rein, Jo«, sagte er.
»Waffe«, antwortete ich.
»Die haben die Bullen.«
Der Blick aus seinen trüben Augen nötigte mich, ihm zu glauben. Ich öffnete.
»Hast du was zu trinken?«, fragte er als Erstes, als er neben mir stand.
Ich wies ihm mit der Kimber den Weg zur Bar.
»Die Kanone kannst du ruhig einstecken. Ich tu dir nichts«, sagte er beleidigt, als er vor mir her den Wohnraum durchquerte.
»Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, mein Freund. Nach deinem letzten Besuch erfüllt mich dein Anblick mit einer gewissen Skepsis. Was willst du haben?«
»Irgendwas. Einen Scotch. Dimple oder so.«
Er angelte sich einen Hocker und hievte sich hinauf. Ich steckte meine Kanone ein. Der einzige Blended in meinem Regal war ein Famous Grouse. Ich verzichtete darauf, Arnie von den Vorzügen eines Single Malt in Kenntnis zu setzen, und goss ihm einen Doppelten auf Eis ein.
»Der ist gut«, sagte er nach dem ersten Schluck.
»Was also führt dich her?«, fragte ich und setzte mich ihm gegenüber.
»Du hast mir das Leben gerettet. Ich wollte mich bedanken.«
Ich traute meinen Ohren nicht. »Hat dein Chef da nichts gegen?«
»Da kannst du einen drauf lassen, dass er das hat, Mann.« Er trank sein Glas leer und schob es mir wie selbstverständlich über die schwarze Granitplatte
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