Kunstblut (German Edition)
gehorsam.
Sie beugte sich über den Hund. Er reagierte nicht, sein Atem war kaum noch zu vernehmen.
»Er braucht einen Tierarzt«, sagte ich.
»Der dürfte zu spät kommen«, antwortete sie und steckte die Kimber in ihre Tasche. Sie kniete sich neben Tarko und streichelte mit der Linken über seinen Rücken, er hob die Schnauze ein bisschen und stieß ein leises, klagendes Winseln aus. Dann sank sein Kopf zu Boden; ein letztes Quietschen endete in einem Seufzer. Isabelle stand auf und sah mich frostig an.
»Wie bist du hier reingekommen?«, fragte sie.
»Die Tür war offen«, sagte ich, um die Sache abzukürzen.
»Das Tor war zu.«
»Ich bin rübergeklettert.«
»Ist das dein übliches Vorgehen bei Besuchen?«
»Was soll die Fragerei, Isabelle? Glaubst du, ich hätte dem Hund das angetan?«
»Wenn Tarko dich gestellt hätte, wäre dir gar keine andere Wahl geblieben.«
»Ich habe nicht geschossen. Du hast meine Waffe, es fehlt keine Kugel. Du kannst auch dran riechen, wenn du willst.«
Tatsächlich nahm sie die Kimber heraus und führte die Mündung an ihre Nase. Dann nickte sie. Endlich senkte sie den Revolver, den Hahn aber ließ sie gespannt.
»Sag mir, warum du hier bist, Jo.« Ihre grünen Augen funkelten.
»Ich war neugierig. Das ist mein Beruf.«
»Du sollst Yves’ Mörder finden. Warum schnüffelst du dann hier herum?«
»Ich hatte das Gefühl, nicht alles zu wissen, was ich wissen sollte. Und dem Augenschein nach lag ich damit nicht falsch.«
»Was hat ein Einbruch mit dem Mord an Yves zu tun?«
»Ja, was? Erklär’s mir, Isabelle.«
»Wieso sollte ich das können?«
»Das ist kein Zufall, so kurz nach Yves’ Tod. Ist etwas gestohlen worden?«
Sie zuckte die Achseln. »Das wird sich herausstellen.«
»Oben hat man Bilder abgenommen und dann stehen lassen. Eins sah mir verdammt nach einem Picasso aus.«
»Er wäre versichert gewesen«, murmelte sie.
»Lass uns nachsehen, was fehlt. Und wenn ich einen Vorschlag machen darf, sollten wir bei der Bar beginnen.«
Sie beugte sich noch einmal zu Tarko hinunter und streichelte ihm sanft über den Kopf. »Einverstanden«, sagte sie endlich.
Ich folgte ihr in eines der Nachbarzimmer. Auch hier waren alle Möbel verschoben oder umgestürzt. Eine Ecke wurde von einem breiten, schnörkellosen Kamin eingenommen, daneben befand sich die Bar. Die Flaschen in dem Glasregal dahinter waren unberührt – die Einbrecher waren keine Vandalen.
»Scotch?«, fragte Isabelle. Ich entdeckte eine halb volle Flasche Oban im Regal und stimmte zu.
Sie schenkte mir ein und mixte sich selbst einen sehr trockenen Wodka-Martini.
»Ich frage mich, nach was man hier gesucht hat. Habt ihr einen Safe?«
»Natürlich.«
Den Martini in der Rechten ging sie aus dem Zimmer, den Revolver ließ sie zu meiner Erleichterung auf der Bar liegen.
Der Safe befand sich im Nebenzimmer, versteckt hinter einem schwenkbar aufgehängten Gemälde. Es stand von der Wand ab, die Einbrecher hatten den Safe also entdeckt.
»Er scheint mir unberührt«, sagte Isabelle.
Ich betrachtete das Bild: Es war ein in verschiedenen Techniken gemalter Stilmix unterschiedlichster Epochen, von Renaissance bis Postmoderne. Links unten war es auffällig signiert: »van L wygan« stand dort übergroß.
»Ist der echt?«, fragte ich.
»Natürlich. Yves besitzt nur echte Bilder.«
»Heutzutage kann man da nie wirklich sicher sein«, sagte ich.
»Ein Bild, das Yves gekauft hat, ist echt. Schon weil Yves es gekauft hat«, sagte sie. Den Martini in der Hand ging sie zum Fenster. Kühl und beherrscht stand sie dort und sah in den Garten hinaus. Ich trat leise zu ihr und berührte sanft ihren Oberarm; sie fuhr herum. Für Sekundenbruchteile bröckelte ihre Fassade, aber sie fing sich sofort wieder.
»Wirst du die Polizei verständigen?«, fragte ich.
»Natürlich nicht. Dass gerade du mir das vorschlägst …« Sie schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck von ihrem Martini.
»Wenn du Geld von der Versicherung willst, musst du Anzeige erstatten.«
»Der Safe ist zu, die Bilder sind noch da … was kann ich von der Versicherung fordern? Ein neues Türschloss?«
»Nach was haben die gesucht, Isabelle? Was hat Yves besessen, außer Geld und Kunstwerken, das für einen Einbrecher interessant sein könnte?«
Sie sah weiter in den Garten hinaus. »Ich weiß es nicht.«
Ich nippte an meinem Scotch. »Erwartest du wirklich, dass ich dir deine Ahnungslosigkeit abnehme, Isabelle?«
»Ja«, sagte sie
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