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Kupferglanz

Titel: Kupferglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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oberen Saiten seiner Gitarre. Die E-Saite riss, und Johnny fluchte.
    «Ich hab ʹne Reservesaite», tröstete ihn Jaska. Er hatte immer ein paar Sätze Reservesaiten dabei, oft auch einen Satz für die Bassgitarre, einen Haufen Plektren, eine Stimmpfeife, Klebeband zum Reparieren der Schlagfelle, alles Mögliche. Früher hatte ich seine Umsicht komisch gefunden, jetzt kam sie mir fast tragisch vor. Der Kerl war völlig heruntergekommen, aber eine Reservesaite für die Gitarre hatte er dabei.
    «Wir haben im Juli einen Auftritt, Popeda kommt ins Iloska, und wir sind die zweite Vorgruppe», prahlte Jaska.
    «Ja, ja, ʹne halbe Stunde ab sieben Uhr und ohne Honorar», giftete Pasi. Ich hatte das Gefühl, dass ich solche Gespräche früher schon gehört hatte.
    Johnny war mit seiner Gitarre fertig. « Sollen wir jetzt die Songs von dir und Jaska proben?», fragte er Pasi.
    Jaska tat sich wichtig. Das erste Stück begann mit einem bombastischen Solo des auf Orgelsound getrimmten Keyboards. Dazu sang Jaska irgendwas in seinem Schulenglisch mit einer Stimme à la Meatloaf, die klang, als quetschte ihm jemand die Eier.
    Die Songs waren entsetzlich. Ich weiß nicht, welcher der Herren für den Text verantwortlich war und welcher für die Musik, aber beide verstanden nichts von ihrer Sache. Jaska konnte nach wie vor nicht spielen, und sein Versuch, einen Heavysound in seine Stimme zu kriegen, war erbärmlich. Der Bassist war richtig gut, vom Keyboarder konnte ich mir keinen Eindruck machen, denn sein Part war entsetzlich zusammengestoppelt. Johnny spielte faul und mit halber Kraft.
    Ich wünschte, ich wäre doch nach Hause gegangen.
    « Na, wie hatʹs dir gefallen ? », fragte Jaska, als sie einen Set von drei Stücken gespielt hatten. Die Augen über den Tränensäcken lagen voller Erwartung.
    «Anders, als ich erwartet hatte. Ein bisschen wie Meatloaf, mit Ramones gemischt. Die Orgel war ziemlich originell… » Ich fing Johnnys spöttischen Blick auf. < Du traust dich auch nicht, ihm die Wahrheit zu sagen >, war darin zu lesen.
    Als Nächstes spielten die Jungs einen gemischten Haufen Songs von anderen, unter anderem von ZZ Top und Led Zeppelin. Jaskas Gesicht hatte eine fast gesunde Farbe bekommen, in seinen Augen blitzte Lebenslust. Die Narbe an der linken Wange, die er sich zugezogen hatte, als er im Suff auf eine Bierflasche fiel, leuchtete dunkelrot. Seine Hände rutschten ab und zu am Gitarrenhals ab. Die anderen spielten geschickter, aber längst nicht so leidenschaftlich. Es hätte mir mehr Spaß gemacht, mitzuspielen als zuzuhören. Dann hätte ich mich auf meinen eigenen Part konzentrieren und es genießen können, wie er mit dem der anderen verschmilzt. Ich merkte, wie ich mich allmählich zur Musik bewegte, meine Finger klopften auf die Tischkante, und als ich in der Sofaecke ein Tamburin entdeckte, fing ich an, es zu schütteln, ohne mich einen Deut darum zu scheren, dass seine Töne nicht zu dem Stück passten, das sie gerade spielten, «Get On » von den Hurriganes. Obwohl ich bei Rattengift so gut wie nie gesungen hatte, ertappte ich mich dabei, wie ich mit Johnny und Jaska mitsummte.
    Im Lauf der Jahre waren immerhin neue Möbel in der Höhle aufgetaucht, ein Tisch und ein paar Stühle. Das Sofa war noch dasselbe, auf dem Johnny einmal versackt war, dasselbe, auf dem Jaska in den Pausen die Hausaufgaben in Fremdsprachen und Mathe aus meinem Heft abgeschrieben hatte. Es hätte vor fünfzehn Jahren schon auf den Sperrmüll gehört. Vermutlich hatte es in der Zwischenzeit niemand gereinigt.
    «Jetzt muss ich los», sagte Stummel, als sie mit «Get On » fertig waren.
    «Er ist in Tikkakoski bei der Armee, der letzte Bus fährt gleich», erklärte Jaska und holte eine Tüte Bierflaschen hinter dem Schlagzeug hervor.
    «Bei der Armee? Der sieht doch aus wie fünfzehn.»
    «Fünfzehn oder neunzehn, macht das aus unserem Blickwinkel noch einen Unterschied?», lachte Johnny. «Jaska, fang noch nicht an zu saufen, lass uns weitermachen. Maria übernimmt den Bass.»
    «Ich hab seit hundert Jahren nicht mehr gespielt! Glaub bloß nicht, dass ich noch was kann! » Trotzdem nahm ich die Bassgitarre vom Sofa, steckte das Kabel in den Verstärker und zurrte das Schulterband zurecht. Es tat gut, die harte Fläche des Instruments am Oberschenkel zu spüren. Die Saiten unter meinen Fingern waren warm, etwas steifer, als ich es gewöhnt war. Ich griff zur Probe ein paar Akkorde, zog ein Boogie-Woogie‐Schema durch, spürte

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