Kupfervenus
erobert hatte – versäumte allerdings, von mir Notiz zu nehmen.
Ich kroch auf allen vieren, ohne zu wissen, wohin, da mir alles vor den Augen verschwamm. Als ich an die Treppe stieß, hielt ich sie für den Eingang zum Tempel der Venus Genitrix.
Auf den Stufen brach ich ohnmächtig zusammen.
Als ich das nächste Mal zu mir kam, blickte ich hoch und fand mein imponierendes topographisches Wissen bestätigt. Hier war das hohe Podium, auf dem ich ausgestreckt lag, und dort oben waren die herrlichen korinthischen Säulen. Falls ausländische Besucher sich herabgelassen hätten, mich nach den Sehenswürdigkeiten des Tempels zu fragen, hätte ich ihnen sagen können, daß sie drinnen schöne Statuen von Venus, Caesar und der jugendlichen Kleopatra finden würden sowie zwei hinreißende Porträts des Timomachos von Byzanz, die Ajax und Medea darstellen. Und dann konnten sie noch in ihrem Reisetagebuch vermerken, daß sie draußen, vor dem Tempel, den etwas weniger glorreichen Privatermittler M. Didius Falco gesehen hatten, der so schaurig krächzend um Hilfe rief, daß kein Passant sich traute, ihm Beistand zu leisten.
Gute Arbeit, Falco. Wenn du deinem Ruf schon Schande machen mußt, dann wenigstens auf den Stufen eines weltberühmten Tempels am schönsten Forum von Rom.
Ein Priester kam heraus. Er gab mir einen Tritt und ging rasch weiter. Wahrscheinlich hielt er mich für einen der Bettler, die notorisch auf den Treppen unserer Tempel rumlungern.
Stunden später kam er von seinem Botengang zurück. Inzwischen hatte ich mich präpariert. »Im Namen des heiligen Julius, helft mir, Vater!«
Ich hatte richtig kalkuliert: Die meisten Priester sind empfänglich für eine Bitte im Namen des Schutzpatrons, dem sie ihren Lebensunterhalt verdanken. Vielleicht fürchten sie auch, ein Steuerprüfer könnte sich als Bettler verkleidet haben, um so an die Tempelbücher zu gelangen.
Nachdem ich ihn erst einmal zum Stehen gebracht hatte, geruhte der Priester, meinen verbeulten Kadaver von seiner vormals fleckenlosen Marmortreppe zu räumen und in eine Sänfte zu packen, die Petronius bezahlen würde.
Den Aufruhr, den meine blutige Ankunft hervorrief, verpaßte ich, da ich schon wieder ohnmächtig war. Ein guter Trick, wenn man ihn richtig drauf hat. Spart Ärger und Aufregung.
Es war nicht das erste Mal, daß ich mich bei Petronius abliefern ließ wie ein Proviantpaket, das zu lange in der Mittagsglut geschmort hat. Aber nie zuvor hatte man mich so gründlich und gekonnt zu Brei geschlagen.
Zum Glück war er daheim. Und auch mir dämmerte langsam, daß ich mich bei Petro und Silvia befand. Silvia schmorte Fleisch. Wie eine Legion im Exerzierstechschritt trampelten ihre Töchter direkt über unseren Köpfen durchs obere Stockwerk. Eins der Kinder spielte, um die Pein noch zu erhöhen, auf einer quietschenden Flöte.
Ich spürte, wie Petronius mir die Tunika aufschnitt; ich hörte ihn fluchen und auch, wie meine Stiefel mit dumpfem Geräusch in einem Eimer landeten; ich roch das vertraute Duftgemisch, das Petros geöffneter Hausapotheke entströmte. Ich ließ mir kaltes Wasser einflößen, das gegen den Schock wirken sollte. Ich schluckte ein paar Tropfen einer scharfen Medizin, von der freilich das meiste danebenfloß und mir über die Brust tropfte. Danach kam es eigentlich nicht mehr darauf an, ob ich bei Besinnung war, während er an mir herumfuhrwerkte; und so sackte ich denn die meiste Zeit weg.
Er war so klug, mir den Schmutz und das geronnene Blut abzuwaschen, ehe er seiner Frau erlaubte, Helena zu holen.
LI
Ich war nicht fähig, mit ihr zu sprechen.
Sie sagte auch nichts. Nur der Druck ihrer Hand auf der meinen veränderte sich minimal. Zwar bekam ich die geschwollenen Lider kaum auf, aber sie erriet offenbar den Moment, da ich erwachte. Obwohl vom grellen Licht geblendet, konnte ich sie doch sehen: ihre vertraute Silhouette; den Umriß ihrer Frisur – sie hatte sich das Haar hoch- und mit Buchsbaumkämmchen über den Ohren festgesteckt. Ihre Haare waren zu weich; der linke Kamm rutschte immer tiefer als der rechte.
Ihr Daumen streichelte behutsam meinen Handrücken; wahrscheinlich, ohne daß es ihr bewußt war. Ich konzentrierte die Atmung ganz auf meinen linken Mundwinkel, und mir gelang ein unverständliches Lallen. Sie beugte sich vor. Irgendwie machte sie die einzige Stelle in meinem Gesicht aus, die nicht schmerzte, und hauchte einen sanften Kuß darauf.
Sie ging. Aberwitzige Panik ergriff mich, bis
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