Kupfervenus
verschanzten, um selbst nicht mit ihren schmutzigen Machenschaften in Berührung zu kommen.
Helena ließ mich ausreden, dann küßte sie mein staubverschmiertes Gesicht. Schon ließ der Schmerz ein bißchen nach.
Ich rückte weit genug ab, um ihr in die Augen sehen zu können. »Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch.«
»Wollen wir heiraten?«
»Jetzt? Ohne Geld?« Ich nickte. »Warum?« fragte sie. »Ich bin auch so glücklich. Wozu brauchen wir Zeremonien und Verträge und ein Spalier von Trotteln, die uns mit Nüssen bewerfen? Wenn wir in Vertrauen und Liebe zusammenleben …«
»Reicht dir das denn?«
»Ja«, antwortete sie schlicht. Meine tapfere Herzensdame mit der spitzen Zunge besaß trotz allem eine seltsam romantische Ader. Allerdings hatte sie das Brimborium der Hochzeitsfeierlichkeiten schon einmal mitgemacht und wußte aus Erfahrung, daß damit nichts garantiert war. »Reicht es dir denn nicht?«
»Nein«, sagte ich. Ich wollte es ganz offiziell, mit Brief und Siegel.
Helena Justina lachte leise. Offenbar hielt sie mich für den Romantischeren von uns beiden.
Wir verließen die Schenke. Ich hatte Verschiedenes zu erledigen. Lauter unangenehme Dinge. Ich wußte nicht recht, wie ich Helena beibringen sollte, daß ich sie gerade jetzt allein lassen mußte.
Langsam gingen wir hinüber zu der Ruine des Gebäudes, das für so kurze Zeit unser Zuhause gewesen war. Jetzt sah ich, warum die Menge so erbarmungslos mit Cossus verfahren war: Neben der Alten lag noch eine Reihe trauriger Leichen – eine Familie mit drei Kindern und einem Baby. Auch mit ihnen hatte Cossus einen »befristeten« Mietvertrag geschlossen; und wir hatten nicht einmal gewußt, daß diese armen Leute mit uns unter einem Dach lebten.
Die Rettungsmannschaft war noch im Einsatz. Die Zuschauer hatten sich verlaufen. In der Nacht würden die Plünderer anrücken. Und morgen früh würden die Hortensii – ganz die untadeligen Besitzer – die Wagen, die bestimmt längst bereitstanden, herschicken und den Schutt wegräumen lassen.
»Wenigstens sind wir zusammen«, flüsterte Helena.
»Das sind wir … bald. Helena, ich muß …«
»Ich weiß.«
Sie war wunderbar. Ich sagte ihr das. »Willst du immer noch mit mir zusammenleben?«
»Wir gehören doch zusammen.«
»Ach, mein Liebstes, aber hier gehören wir nicht hin, da haben wir was Besseres verdient!« Wie gewöhnlich besänftigte sie mich auch diesmal. »Wir finden schon wieder was, aber die nächste Wohnung sehe ich mir gründlicher an! Helena, vielleicht kann ich nicht gleich eine neue Bleibe auftreiben – du gehst besser heim zu deinen Eltern, und ich komme später nach …«
»Ich soll mit eingezogenem Schwanz nach Hause schleichen?« Helena rümpfte die Nase. »Das liegt mir ganz und gar nicht!«
»Ich will doch bloß, daß du gut aufgehoben bist!«
»Bei dir bin ich bestens aufgehoben.«
»Glaub mir, wenn es nach mir ginge, würde ich dich jetzt nicht allein lassen; sondern mich mit dir verkriechen und dich festhalten, bis du dich sicher fühlst und ich mich besser …«
»Oh, Marcus, schau doch!« unterbrach mich Helena. »Der Papagei!«
Der Vogel thronte auf einem Schutthaufen. Völlig verdreckt, aber nicht im mindesten eingeschüchtert. Helena rief: »Chloe! Chloe, komm doch …«
Vielleicht hatte der Käfig sie gerettet. Jedenfalls war sie lebend davongekommen, und nun beäugte sie mit dem ihr eigenen frivolen Hochmut das Trümmerfeld ringsum.
Ein paar kleine Buben (deren Mütter es ihnen nicht danken würden) pirschten sich an, um sie einzufangen. Chloe hatte Männer noch nie leiden können. Sie ließ die Knaben auf Armeslänge herankommen, dann plusterte sie sich auf, hüpfte einen Meter weit in die andere Richtung und schwang sich in die Lüfte.
Helena reckte den Hals, um zu sehen, in welche Richtung Chloe flog. Das Biest drehte eine Schleife und schoß verwegen an Helenas Kopf vorbei.
»Marcus, kann sie denn in Freiheit überleben?«
»Ach, der Vogel ist so ziemlich gegen alles gefeit!«
Chloe landete wieder. »Chloe! Chloe!« lockte Helena.
Nun, da noch jemand an dem Vogel Interesse zeigte, strengten sich die Buben erst recht an und hechteten ihm hinterher. Chloe entwischte elegant und flatterte auf einen Dachfirst, wo sie außer Reichweite war.
»Komm sofort da runter und sag mir, wer’s getan hat!« rief Helena.
»O Cerinthus! Cerinthus! Cerinthus!« kreischte Chloe entgegenkommend.
Dann sahen wir zu, wie der Papagei sich in immer kleiner
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