Kupfervenus
war, das mir fast den Atem raubte, standen noch offen.
Ein kleiner Page hatte sich, einen Pfirsich in der Hand und einen Daumen im Mund, in einer Ecke zusammengerollt. Er schlief so fest und reglos, daß Hyacinthus ihn ängstlich anschubste. Doch da schreckte das Kind hoch und taumelte davon.
Ich sah mich nach Anhaltspunkten um. Hier waren die schlimmsten Spuren der häuslichen Schlamperei die Weinflecken auf den Tischdecken, mit denen sich die Waschfrau würde rumärgern müssen, und eine Lache verschütteten Lampenöls auf einem der Polsterbezüge. Ich trat ein hart gewordenes Brötchen aus dem Weg. »Wer war heute abend hier, Hyacinthus? Wie viele Familienmitglieder?«
»Es waren alle da – die drei Männer und die beiden Frauen.«
»Und Gäste?«
»Nur einer. Ein Geschäftspartner.«
»Ja, und Severina.« Machte sieben. Reichlich Ellbogenfreiheit auf den Speisesofas. »Wie sah denn die Tischordnung aus?«
»Das Triklinium ist nicht mein Ressort, Falco. Da müssen Sie den Haushofmeister fragen.« Der Haushofmeister würde sich vor Wichtigkeit spreizen wie ein Pfau (ich kannte den Typ). Er konnte warten. Ich machte die Runde durch das Zimmer, aber da war nichts, was mir ins Auge sprang. Weinkrüge und Wasserkaraffen hatte man nach dem Mahl auf Beistelltischchen stehenlassen, ebenso wie einen Haufen Gewürzschälchen und allerlei Gerät zum Mischen und Erhitzen der Getränke. Von den Speisen war nur noch ein raffiniertes Gebilde auf einem niedrigen Tisch in der Mitte übrig: ein aus Golddraht gefertigter Baum, an dem offenbar das Obst für den Nachtisch gehangen hatte. Ein paar Weintrauben und Aprikosen schaukelten jetzt noch an den filigranen Ästen und häuften sich um den zierlichen Stamm.
Ich war noch ganz in Gedanken versunken, und Hyacinthus hockte trübsinnig auf einem Diwan, als ein Mann mit Aplomb hereingerauscht kam und die Stille durchbrach.
»Es ist wer gestorben – ja?«
»Das kann schon sein«, antwortete ich düster und bedachte diese wilde Erscheinung mit einem abschätzenden Blick. Er hatte eine Halbglatze, einen breiten Mund, eine Nase, die doppelt so groß war wie die übrigen Gesichtszüge, und wieselflinke, mittelbraune Augen. Seine Statur war nicht außergewöhnlich, aber er brauchte dennoch unheimlich viel Platz, denn er hatte die ausladenden Bewegungen einer gutgeölten kretischen Windmühle, die ohne Bremstaue in einen kräftigen Sturmwind gerät. »Wer hat dir davon erzählt?«
»Ein Küchenmädchen kam mit der Nachricht zu mir gelaufen.«
»Warum? Was geht dich das an?«
Hyacinthus blickte auf. »Falls Sie denken, Novus hätte sich an den Speisen vergiftet«, sagte er mit milde amüsiertem Lächeln, »dann hat der da am meisten zu befürchten, Falco – das ist unser Küchenchef!«
XXXIV
» Novus! « Der augenrollende Küchenchef erstarrte. Er war sichtlich erschüttert.
»Nun beruhige dich erst mal! Wie heißt du?«
»Die Leute hier nennen mich Viridovix«, erklärte er förmlich. »Und wenn mein Herr wirklich vergiftet wurde – dann wollen Sie sicher mit mir sprechen!«
»Wenn du der Küchenchef bist«, bemerkte ich, »werden das die meisten, die heute abend hier gegessen haben, tun wollen.«
Die Hortensius-Sippe war wirklich eine Bande von neureichen Aufsteigern: Die Tatsache, daß sie einen gallischen Koch beschäftigten, lieferte den endgültigen Beweis.
Seit nunmehr hundert Jahren versuchte Rom, die Gallier zu zivilisieren, und mittlerweile waren wir vom Völkermord, wie Julius Caesar ihn praktiziert hatte, dazu übergegangen, die Stämme mit Annehmlichkeiten gefügig zu machen, was für das Schatzamt kostengünstiger kam: Wir lieferten ihnen Keramikgeschirr, italische Weine und die Feinheiten demokratischer Regierung. Im Gegenzug füllte Gallien Roms Künstlerateliers erst mit lebenden Modellen, die darauf spezialisiert waren, als sterbende Barbaren zu posieren, und überschwemmte uns später mit einer Flut von begriffsstutzigen Mittelklassebürokraten vom Typ des Agricola. Viele prominente Gallier stammten aus dem Forum Julii, das sich mit einer sogenannten Universität schmückte – und mit einem Hafen, wo man sich leicht nach Rom einschiffen konnte.
Es mag ja sein, daß die drei unwirtlichen gallischen Provinzen eines schönen Tages ihren Beitrag zu Kultur und Zivilisation leisten werden – aber kein Mensch kann mich davon überzeugen, daß dieser Beitrag ausgerechnet auf dem Gebiete der Kochkunst liegen wird. Trotzdem habe ich nie angenommen, daß
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