Kupfervenus
hätte kosten können. Die Kümmelsauce kam offenbar als Beilage sehr gut an, denn bis ich mich danach umsah, war das Servierkännchen schon blank gekratzt. Als ich mich endlich zum Essen niedersetzen konnte, fand ich nur noch im Flur Platz. Die Gäste machten einen solchen Krach, daß mir der Kopf dröhnte. Niemand nahm sich die Mühe, mit mir zu reden, denn ich war schließlich bloß ein erschöpfter Küchenjunge. Ich sah meine Mutter in einer Ecke mit Petro und seiner Frau, wahrscheinlich in ein Gespräch über ihren Nachwuchs vertieft. Meine Schwager aßen und tranken stumm und furzten höchstens mal verstohlen. Maia hatte Schluckauf, was kaum verwunderlich war. Junia strengte sich mächtig an, den Caesar zu unterhalten, was er wohlwollend über sich ergehen ließ – wenngleich Helena Justina ihm weitaus besser zu gefallen schien.
Helenas dunkle Augen wachten ständig über meine Gäste; sie und Maia leisteten mir gute Dienste, hielten das Gespräch in Gang und reichten die Speisen herum. Nur für mich war Helena unerreichbar. Selbst wenn ich nach ihr gerufen hätte, sie hätte mich doch nicht hören können. Dabei hätte ich mich so gern bedankt. Am liebsten wäre ich zu ihr gegangen, hätte sie geschnappt, in eins der leeren Zimmer geführt und sie so leidenschaftlich geliebt, bis wir beide uns vor Erschöpfung nicht mehr rühren konnten …
»Wo hast du die denn aufgegabelt?« piepste Maias Stimme hinter meinem rechten Ohr. Meine Schwester war eben herangeschwankt, um mir noch eine Portion klebrigen Steinbutt auf den Teller zu schaufeln.
»Ich glaube, sie hat eher mich aufgegabelt …«
»Armes Mädchen, wie die dich anhimmelt!«
Ich kam mir vor wie einer, der plötzlich den Weg aus der Wüste gefunden hat. »Wie kommst du denn darauf?«
»Na, wie die dich anschaut!« Maia kicherte; sie ist die einzige meiner Schwestern, die mich wirklich mag.
Ich schob meine zweite Portion auf dem Teller herum. Dann hob Helena, die zwischen acht Leuten eingekeilt war, von denen alle gleichzeitig redeten, plötzlich den Kopf und sah, daß ich sie beobachtete. Auf ihrem Antlitz spiegelte sich etwas, das mich tief berührte. Sie lächelte kaum merklich. Ein heimliches Zeichen zwischen uns, das mir sagen sollte, meine Gäste würden sich alle prächtig amüsieren; dann folgte ein Moment gemeinsam genossener Stille.
Titus Caesar neigte sich herüber, um Helena etwas zuzuflüstern; sie antwortete ihm auf die gesetzte Art, mit der sie sich in der Öffentlichkeit unterhielt – kein Vergleich mit dem tyrannischen Weib, das auf mir rumzutrampeln pflegte. Titus schien sie ebensosehr zu bewundern wie ich. Jemand sollte ihm beibringen, daß der Sohn eines Kaisers, wenn er sich schon mit dem Besuch bei einem armen Mann vergnügen will, dessen Fisch essen und seinen Wein schlotzen und auch seine Wachen zur Belustigung der Nachbarn draußen abstellen kann – es aber nicht so weit treiben darf, mit dem Mädchen des armen Schluckers zu flirten … Meine Verwandten hatte er allesamt mühelos becirct. Ich haßte ihn ob seiner glücklichen Flavier-Veranlagung, sich so leicht mit dem Volk gemein zu machen.
»Kopf hoch, alter Junge!« versuchte jemand, mich aufzuheitern.
Es sah ganz so aus, als hielte Helena Justina dem jungen Caesar eine Standpauke. Und da sie mehrmals zu mir herüberblickte, erriet ich, daß ich Thema ihres Gesprächs war. Gewiß machte Helena ihm Vorwürfe, weil der Palast so verantwortungslos mit mir umsprang. Ich zwinkerte Titus zu; er lächelte einfältig zurück.
Meine Schwester Junia quetschte sich, auf dem Weg nach ich-weiß-nicht-wo, an mir vorbei. Sie warf einen schrägen Blick auf Helena. »Du Trottel! Du willst dich wohl unbedingt in die Nesseln setzen!« gluckste sie schadenfroh und stolperte weiter, ohne abzuwarten, ob ich ihr diese Spitze übelnahm.
Ich war wieder einmal in der typischen Gastgeberrolle: hundemüde und außen vor. Meinen Fisch hatte ich vor lauter Grübeln kalt werden lassen. Außerdem stellte ich fest, daß eine von meinem Vermieter frisch verputzte Wand offenbar so unter der Trockenheit gelitten hatte, daß nun den ganzen Flur entlang ein Riß klaffte, groß genug, um meinen Daumen reinzustecken. Da hatte ich also einen idealen römischen Abend arrangiert: ein schmackhaftes Essen für meine Familie, die Freunde und einen von mir hochgeachteten Gönner. Und ich saß dabei und brütete deprimiert und mit trockener Kehle vor mich hin.
Meine eigene Schwester hatte mich beleidigt, ich
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