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Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriegsbraut
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fünf Schuss, mäßiges Ergebnis.
    Sie hatte
sich mit den Fahrten angefreundet und hasste die Tage, an denen sie das Lager
nicht verlassen konnte. Es kotzte sie alles an, die Dienstbeflissenheit bei der
Arbeit, die Zuverlässigkeit, mit der hier dreimal am Tag Fleisch- und
Leberwürste angeboten wurden, der Geruch des Desinfektionsmittels an ihren
Händen, der ewige Staub, die Hitze und der eigene Schweiß, die Blicke, wenn sie,
sportlich bekleidet, im Kraftraum mit den Beinen Gewichte zur Seite drückte.
Als ihr einmal eine kleine Hantel aus der Hand fiel und dicht neben ihrem Fuß
landete, entfuhr einem erschrockenen Obergefreiten der Ruf: «Das war aber um
Fotzenhaaresbreite!» Da war sie sofort Leutnant Dieffenbach und stauchte ihn
übel zusammen, obwohl sie das schon hundertmal gehört hatte und sich sonst
davon auf eine Weise nicht stören ließ, die eben doch eine innere Störung war.
Ein Oberstleutnant, zu diesem Zeitpunkt Ranghöchster im Kraftraum, nahm sie
danach zur Seite und belehrte sie über Angemessenheit. Trost waren ihr nur die
Gespräche mit dem Schuldirektor, das heißt, Gespräche waren es immer noch
nicht. Sie erzählte ihm ihr Leben, er hörte zu, aber immerhin sah er sie nun an
dabei.
     
    In der
Nacht hatte es geregnet. Die Temperatur sank auf dreißig Grad. Am Morgen, als
sie zur Schule fuhren, leuchtete der Himmel in einem kräftigen Blau, und die
Landschaft wirkte nicht mehr so blass, sie hatte jetzt einen silbrigen Glanz.
Die Berge traten klarer hervor, hatten scharfe Konturen, Spitzen, Grate, mit
denen sie in den Himmel hineinstachen, hineinschnitten, während sie sonst eher
mit ihm verschmolzen. Der Fels hatte nun eine Plastizität, die Esther nie
wahrgenommen hatte, er war faltig, knittrig, stellenweise glatt wie ein
gebügeltes Tischtuch. Manche Vertiefungen schienen mit dem Messer in den Stein
geritzt, so kunstvoll und akkurat waren sie. Esther konnte sich nicht
sattsehen, starrte, entdeckte. Sie kam sich vor wie in einem anderen Land,
einem besseren.
    Sie sah
einen Lichtblitz, eine Reflexion, oben auf der Kuppe, hundert Meter voraus,
neben der Geröllpiste, auf der sie fuhren. Die Piste ging dort in eine Brücke
über, die als solche kaum kenntlich war, nur an den Betonbrüstungen rechts und
links. Esther bat Tauber anzuhalten, nahm das Fernglas und stieg aus. Es gab
keinen Zweifel an dem, was sie sah. Dort, am Ende der Brüstung, links von der
Straße, stand ein Kochtopf, ein Schnellkochtopf. Er ragte ein Stück hinter der
Brüstung hervor. Sie sah den Bügel, der sich über den Deckel spannte und
seitlich am Topf befestigt war. Ihr Herz pochte. Ihr ging alles durch den Kopf,
was sie gelernt hatte über eine solche Situation, vor allem, dass oft der
Feind in der Nähe war, weil er die Sprengfalle mit einem Funkgerät auslösen
wollte, mit einem schnurlosen Telefon oder einem Handy. Sie suchte die
Landschaft ab, es gab kein Gehöft, keine Bäume, nichts, die reine Kahlheit.
Ungefähr tausend Meter entfernt waren ein paar Hügel, da konnten die Taliban
liegen. Tauber stand jetzt neben ihr. Sie gab ihm das Fernglas.
    «Ein
Kochtopf», sagte er.
    «Wahrscheinlich
ein IED», sagte sie.
    Esther
informierte die beiden Infanteristen im hinteren Wolf und wies sie an, die
Landschaft zu beobachten, vor allem die Hügel. Sie sollten auf Deckung achten,
hinter den Wölfen bleiben. Sie nahm das Funkgerät, unterrichtete das Tactical
Operation Center im Lager. Sie sollten umdrehen, wurde ihr gesagt. Aber
vielleicht habe nur jemand seinen Kochtopf vergessen, hielt sie dagegen. Es
dauerte etwas, dann wurde ihr mitgeteilt, dass der Kommandeur
Kampfmittelbeseitiger schicken würde.
    Sie
warteten. Sie trugen ihre Gewehre bei sich, betrachteten die Landschaft,
schwiegen. Hinter den Hügeln ragten steile Felsen empor, eine lange Wand, an
deren rechtem Ende zwei einzelne, schmale Felsen standen, die wie zwei Finger
aussahen. Die großen Berge dahinter wirkten wie schlecht bemalt, weiße
Flecken, wo der Schnee lag, die an abblätternde Farbe erinnerten.
    «Da kommt
jemand», sagte einer der Infanteristen.
    Sie sah
die Straße hinunter. Aus der Richtung, aus der sie gekommen waren, näherte sich
eine Gestalt, die auffällig groß war und seltsam schaukelte. Durch das Fernglas
sah Esther, dass es ein Radfahrer war. Er hatte Mühe, den Schlaglöchern und
größeren Steinbrocken auszuweichen. Er fuhr ein enges Zickzack und wippte auf
und ab, weil er immer wieder Löcher und Steine erwischte. Der Mann auf

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