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Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriegsbraut
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nicht für achtzig,
nicht für siebzig. Sie musste Angst haben vor dem Tod, hatte sie auch. Sie
wurde traurig, weil sie daran dachte, was ihr noch fehlte zu einem Leben, das
als halbwegs erfüllt gelten konnte. Ein Mann? Klar. Kinder? Kinder hatten nie
eine Rolle gespielt in ihren Gedanken, bis sie mit Thilo zusammen war, wenn man
das so nennen konnte.
    Sie
krochen einen Pass hinauf, gefangen hinter einem Lastwagen, angemalt in
grellem Blau, darauf Krieger und Jungfrauen in Gelb, Grün und Rot, goldene
Troddeln, schwarzer Rauch aus dem Auspuff. Sie schalteten die Lüftung aus. Es
wurde rasch heiß.
    Esther
dachte an eine Bootsfahrt mit Thilo, Wannsee, ein schöner Tag, viele Segel. Sie
war schon Soldatin, er war ihr Freund, Greta ihre Freundin. Sie hatten nie mehr
über ihre Affäre gesprochen, als wäre sie aus einem anderen Leben. Aber so war
es nicht. Manchmal tat Esther die Erinnerung weh.
    «Ich muss
dich etwas fragen», sagte sie zu Thilo.
    «Etwas
Schlimmes?»
    «Ja.»
    «Okay.»
    «Warum
hast du mir damals gesagt, dass du ein Kind von mir willst?»
    «Habe ich
das gesagt?»
    «Hör auf
damit. Du weißt genau, dass du das gesagt hast.»
    «Ich habe
es gesagt.»
    «Warum?»
    «Ich habe
es im Bett gesagt.»
    «Ja.»
    «Als wir
miteinander geschlafen haben.»
    «Ja.»
    «Ich habe
gesagt, dass es die höchste Erfüllung wäre, wenn ich dir ein Kind machen würde.»
    «Ja.»
    «Es ist
Teil der Erfüllung, so etwas zu sagen.»
    «Du hast
es nicht ernst gemeint?» Sie sah ihn an, hart, kalt, vereist gegen jede
Erwiderung.
    «Es ist
total ernst in diesem Moment, es ist heilig, es ist alles, aber es ist Ekstase,
Ausnahme. Es wird in einer anderen Welt gesagt.»
    «Du hast
es auch danach gesagt. Ich habe dich gefragt, ob du das wirklich willst.
Erinnerst du dich nicht?»
    «Ich
erinnere mich. Ich habe gesagt, dass ich dir fünf Kinder machen will.»
    «Genau,
das hast du gesagt. Fünf Kinder.»
    «Fünf
Kinder sind nicht ernst.»
    «Warum
sind fünf Kinder nicht ernst?»
    «Niemand
hat fünf Kinder.»
    «Du
meinst, wenn man sagt, dass man fünf Kinder will von einer Frau, will man
eigentlich kein Kind. Du hast von einem Kind auf fünf erhöht, damit wir bei
null landen? Ist das richtig?»
    Er hörte
auf zu rudern. Ein Segelboot strich dicht an ihnen vorbei, ein Mann, eine
Frau, ein Sektkübel. «Esther.»
    «Ja?»
    «Sei nicht
so.»
    «Wie denn?»
    «Es tut
mir leid.»
    «Was tut
dir leid?»
    «Ich habe
nicht gewusst, dass du das ernst nehmen würdest.»
    «Ich habe
es ernst genommen. Ich hatte bis dahin nie an ein Kind gedacht, ein Kind kam in
meiner Vorstellung vom Leben nicht vor. Seit dieser Nacht konnte ich mir sogar
fünf Kinder vorstellen, mit dir.»
    «Immer
noch?»
    «Diese
Frage ist nicht erlaubt, das weißt du.»
    «Sorry.»
    «Nein,
nicht mehr. Aber es hat ein Jahr gedauert, bis ich damit klarkam, dass ich all
diese Gefühle für dich vergeblich gehabt habe. Du hast mich geöffnet und dann
offen liegengelassen. Ein Geschenk, das niemand will. Ich war ein gutes
Geschenk.»
    «Ja.
Verzeihst du mir das?»
    «Nein. Ich
weiß nicht, was es macht mit mir, ich weiß nicht, wie es endet. Es kann gut
enden oder schlecht. Es ist eine große Sache.»
    «Es tut
mir sehr leid.»
    «Wir reden
nicht mehr darüber, nie mehr.»
    Er ruderte
sie schweigend zurück. Greta erwartete sie am Steg, auf einem Tablett standen
drei Gläser Campari Orange.
    Esther war
den Wunsch nach Kindern nicht mehr losgeworden, er war jetzt da. Plötzlich
hatte sie Angst, dass ein Kochtopf verhindern könnte, dass dieser Wunsch
Wahrheit würde. Und da war noch etwas. Wenn stimmte, was Jordan von den
Eingeborenen Neuguineas erzählt hatte, war sie nach Afghanistan verschlagen
worden, weil sie hier einen Mann für ihr Kind finden konnte. Oder sich selbst
das Recht auf ein Kind schaffen konnte, auch das. Sie wusste, dass dies irrsinnige
Gedanken waren, Gedanken, die mit der Welt nichts zu tun hatten, eine
Fehlschaltung des Gehirns, aber sie wusste auch, dass solche Gedanken sich einen
Platz in der Welt zu schaffen vermochten, und sie wollte das nicht.
    Sie hingen
immer noch hinter dem Laster.
    «Wie bist
du auf den Namen für deinen Sohn gekommen?», fragte Esther.
    «Emilio?»
    «Ja.»
    «Es gab
mal einen Fußballspieler, der hieß Emilio Butraguefio, den fand ich früher
toll.»
    «Lebt er
noch?»
    «Ich
glaube ja. Warum fragst du?»
    «Nur so.»
    «Sie
nannten ihn , den Geier. Real Madrid, großer Stürmer.» Sie
schwiegen, dann sagte

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