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Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriegsbraut
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und der andere Infanterist kletterten auf die Dächer der Wölfe und
blickten hoch zu den Häusern. Alle Fenster waren mit Holzläden verrammelt. Der
Schuldirektor klopfte an die Tür des ersten Hauses, Tauber stand neben ihm, der
Infanterist fünf Meter dahinter. Ein Mann zeigte sich, der Schuldirektor
sprach mit ihm. Nach einer Weile verschwand der Mann im Haus, die Tür wurde
geschlossen. Der Schuldirektor und seine Begleiter zogen weiter.
    Leichter
Wind, der nicht kühlte. Die Sonne presste Hitze gegen Esthers Stirn, sie sah,
wie ein Mädchen durch eine Tür geschoben wurde.
    Nach einer
Stunde hatte der Schuldirektor ein Dutzend Mädchen eingesammelt, ungefähr die
Hälfte der Mädchen aus dem Dorf. Sie kamen in einer langen Reihe den Pfad
hinunter, der Schuldirektor ging voraus, dahinter Tauber, der Infanterist
bildete den Schluss. Die Mädchen trugen lange schwarze Kleider, die bestickt
waren. Sie schwatzten nicht, lachten nicht. Esther starrte hinauf zu den
Häusern. Niemand ließ sich blicken.
    Als die
Mädchen an der Schule ankamen, ertönte die Klingel, die den Unterricht
beendete. Nach wenigen Sekunden strömten die Jungs aus der Schule und schauten
grinsend zu den Mädchen, die ratlos im Kreis standen. Die Jungs rannten nach
Hause. Dann kamen die Lehrer, sie grüßten und gingen davon.
    «Sie
müssen sie aufhalten», sagte Esther zum Schuldirektor.
    «Sie haben
Feierabend.»
    «Aber die
Mädchen müssen den Unterricht nachholen.»
    Der
Schuldirektor rief den Lehrern etwas nach, doch sie gingen weiter, ohne sich
umzudrehen. Esther fragte sich, was er gerufen hatte, aber sie fragte es nicht
laut. Sie standen bei den Wölfen, die Mädchen, die Soldaten und der Schulleiter.
Der alte Hausmeister kam hinzu, er hatte nur noch einen Zahn, trug wie immer
Gummistiefel und eine Mütze, die den europäischen Kampfhubschrauber Tiger
zeigte.
    «Wir
müssen zurück ins Lager», sagte Tauber, «sonst kommen wir zu spät.»
    Der
Schuldirektor sah sie an. Die Mädchen standen immer noch im Kreis.
    «Wir
fahren», befahl Esther.
    Der
Schuldirektor sagte etwas zu den Mädchen, sie gingen wieder den Hügel hinauf.
Esther fragte, ob sie ihn nach Hause bringen könnten. Er nickte, stieg in ihren
Wolf und setzte sich auf die Rückbank.
    Im Wagen
war jetzt ein neuer Geruch, nicht mehr nur diese Mischung aus heißem Metall,
Staub, Leder, Plastik, Waffenöl und Taubers nachlassendem Deo. Da war noch ein
angenehm erdiger Duft, Mann, unverkennbar Mann, das auch, dachte Esther, aber
anders Mann, als sie es kannte. Sie versuchte eine kleine Plauderei, doch das
Gespräch versiegte bald in ihren Übersetzungen für Tauber, und dann schwiegen
sie. Nach zwanzig Minuten sagte der Direktor, dass er da vorne aussteigen wolle.
Er zeigte auf einen Obsthain. Tauber stoppte, Esther stieg aus, dann der
Direktor. Ein kurzer Abschied, sie sah, wie er durch den Obsthain einen Hügel
hinaufging zu einem dieser verschlossenen Dörfer, die mehr Teil der Landschaft
sind als menschliche Behausungen. Sechs, sieben Gehöfte, ein paar Häuser ohne
Mauer. Ein Fluss rauschte schwach. Kinder rannten los, nachdem sie die Wölfe
gesehen hatten. Tauber verteilte Stifte, während Esther beobachtete, wie Mehsud
durch das Dorf ging, bis zum letzten Haus. Dann fuhren sie los.
     
    Nach
diesen beiden Zwischenfällen, Kochtopf und Mädchen, nahm Esther das Lager
anders wahr. Sie hatte sich eine Zeitlang wohl gefühlt, weil sie die Fahrten
zur Schule mochte und die Abende mit Ina und Maxi auch. Das Fernbleiben der Mädchen
hätte sie lieber nicht gemeldet, aber das ging nicht wegen Tauber und der beiden
Infanteristen. Sie wurde zum stellvertretenden Kommandeur bestellt, er
befragte sie ausführlich und sagte, dass er ohnehin bezweifele, dass die
Fahrten zu dieser Schule sinnvoll seien. Die Schule sei sehr entlegen, viel
Aufwand, viel Gefahr, das lohne nicht. Aber sie sei noch nie in Gefahr geraten,
sagte Esther. Wo Taliban sind, sei auch Gefahr, sagte der stellvertretende
Kommandeur.
    Danach kam
Esther das alles hier absurd vor. Dieser riesige Betrieb, tausend Leute, die
sich mit viel Aufwand selbst versorgten, das ständige Abfahren und Eintreffen
schwerer Fahrzeuge, und gerade jetzt erfüllte ein großes Dröhnen und Brummen
das Lager, weil riesige Bulldozer Erdmassen verschoben, damit irgendetwas neu
gebaut werden konnte. Diese Kleinstadt boomte, es gab nun auch einen
Swimmingpool, Pioniere hatten einen Container abgedichtet und mit Wasser
gefüllt. Manchmal hörte

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