Kurbjuweit, Dirk
und Maxi standen schweigend davor. Dann
öffneten sie drei Bier.
Nachdem
sie ein paar Schlucke getrunken hatte, zog Ina die Burka an. Sie machte
Schritte wie auf dem Laufsteg und wackelte mit den Hüften. Esther haute ihr
auf den Hintern. Sie lachten. Dann suchten sie auf Inas Laptop Lieder von Oasis
heraus, und Ina tanzte dazu und tat, als würde sie singen. Ein Deostift war das
Mikrofon. Sie lachten haltlos. Später saßen sie auf den Betten, und Maxi
begann damit, die Burka zu besticken. Sie hatte sich in der Stadt Garn und
bunte Glasperlen besorgt. Sie war geschickt mit Nadel und Faden, ihre Mutter
hatte ihr das beigebracht. Esther fragte sie, wozu sie das mache, bekam aber
keine Antwort. Sie saßen da, tranken.
«Wovor
haben wir eigentlich Angst?», fragte Ina.
«Weshalb
Angst?», fragte Esther zurück.
«Die
Männer haben die größte Angst davor, dass man ihnen die Eier wegschießt. Das
kann ja nicht unsere Angst sein. Ein Loch kann man nicht wegschießen, oder?»
«Wir haben
keine Angst», sagte Maxi.
«Ein
Bauchschuss wäre schlimm», sagte Ina.
«Warum?»,
fragte Maxi.
«Wegen der
Kinder.»
«Welche
Kinder?»
«Wenn es
dir die Gebärmutter oder die Eierstöcke zerfetzt, wirst du kein Kind mehr
bekommen können.»
«Ich will
keine Kinder», sagte Maxi. «Ich will noch ein Kind», sagte Ina. «Fünf», sagte
Esther. «Blödsinn.»
«Ja.»
«Es
schießt ja niemand», sagte Ina.
Maxi legte
die Burka weg und löschte das Licht. Esther fiel in einen traumlosen Schlaf.
Von da an
stickte Maxi jeden Tag an der Burka herum und sagte nicht, warum sie das
machte. Esther fand es seltsam, die große, starke Frau mit der feinen Nadel
hantieren zu sehen. Andererseits musste sie geschickte Hände haben, in einem
Minenfeld arbeitete sie schließlich auch mit Nadeln, langen Nadeln, die man
vorsichtig in die Erde schiebt, bis man auf etwas Hartes trifft, meistens ein
Stein, aber manchmal eine Mine. Esther war immer froh, wenn sie Maxi abends sah,
weil kein Tag verging, ohne dass ihr ein Bild erschien: Wie Maxi ihre Nadeln in
die Erde schiebt und plötzlich nur noch Feuer da ist, ein Blitz, gelb und rot,
und Maxi hat keine Arme mehr.
Im Lager
wurde viel über Maxi gelästert. Man nannte sie den Kampfzwitter; wenn dieses
Wort fiel, war jedem klar, wer gemeint war. Man sagte es ihr nicht ins Gesicht,
sie galt als stark, aber Esther war sich sicher, dass sie es irgendwie
mitbekam, obwohl Maxi fast nie ins Lummerland ging. Sie ließ sich nicht
anmerken, ob es ihr wehtat.
Esther
wusste von ihr wenig mehr, als dass sie noch bei ihrer Mutter in Wangen lebte,
wenn sie nicht in einer Kaserne oder in Afghanistan war. Ina hatte erzählt,
dass Maxi als Holzfällerin in Schweden gewesen war. Von da war es nicht weit zu
der Vorstellung, wie ein Baum stürzt und einen Menschen begräbt, den Maxi
geliebt hatte. Irgendein Unglück trug diese Frau mit sich herum, da war sich
Esther sicher. Das Schweigen, die Schwermut, nach Glück sah das nicht aus.
Kürzlich war Maxi zu ihr gekommen und sagte, sie wolle ihr etwas Schönes
zeigen. Sie fuhren mit dem Fuchs der Kampfmittelbeseitiger zum Sprengplatz.
«Du willst
mir eine Sprengung zeigen?», fragte Esther.
«Ich will
dir eine schöne Sprengung zeigen», sagte Maxi. Sie erzählte, dass man das auf
verschiedene Art machen könne, und sie wolle es immer so machen, dass es ein
schönes Feuerwerk gibt. Auf dem Sprengplatz führte sie Esther zu einem Haufen
mit alter Munition. Was die Kampfmittelbeseitiger fanden oder was im Lager
abgegeben wurde, sammelten sie, um es in die Luft zu jagen. Esther sah rostige
Granaten, Patronen, Signal- und Leuchtspurmunition. «Manche schmeißen das
einfach zusammen», sagte Maxi, «aber ich arrangiere es so, dass es schön wird.»
Sie kniete sich neben den Haufen und legte grüne Päckchen mit
500-Gramm-Sprengladungen aus. «Siehst du, hier muss die Sprengladung hin, damit
sie auf die Zünder der Signalmunition wirken kann, genauso mache ich es mit
der Leuchtspurmunition.» Maxi buddelte, legte, legte um, häufte, türmte, als
wolle sie eine Schaufensterdekoration schaffen. Esther war nicht ganz wohl, sie
wollte weg, aber sie blieb.
Als sie
wieder im Fuchs saßen, spürte sie Maxis Aufregung, ihre Vorfreude. «Schau
jetzt genau hin», sagte Maxi.
«Brauchen
wir keinen Ohrschutz?»
«Steck dir
die Finger rein, aber mach nicht die Augen zu vor Schreck.»
«Mach ich
nicht.»
«Drei -
zwei - eins - Zündung.»
Es
knallte, Esther sah einen Feuerball,
Weitere Kostenlose Bücher