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Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriegsbraut
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Tauber, der Fahrer des Lasters winke ihm. «Soll ich
überholen?»
    «Klar.»
    «Traust du
denen?»
    «Wie
meinst du das?»
    «Vielleicht
winkt er mir, weil er gesehen hat, dass gleich ein Wagen um die Ecke biegt und
uns entgegenkommt.»
    «Weil er
uns den Tod wünscht?»
    «Könnte
doch sein.»
    «Unwahrscheinlich.»
    Tauber
überholte nicht, die Hitze wurde unerträglich.
    «Gibt es
genug Namen für alle?», fragte Esther. «Hast du dich das mal gefragt?»
    «Ja. In
Emilios Kindergarten ist noch ein Emilio. Da habe ich gedacht, dass es nicht
genug Namen gibt. Nicht mal mit Emilio bist du auf der sicheren Seite.»
    «Das
meinte ich nicht.»
    «Was
dann?»
    «Egal.»
    «Wie soll
dein Kind heißen?»
    «Will ich
ein Kind?»
    «Willst
du?»
    «Wenn ich
einen Namen habe.»
    «Gordon
finde ich schön.»
    «Kennst du
einen Gordon?»
    «Nein,
habe ich irgendwo gelesen.»
    «Gordon
nicht, glaube ich.»
    «Bente
finde ich gut für Mädchen.»
    «Ich
kannte mal eine Bente, die wollte Malerin werden. Bente ist schön.»
    «Also
Bente für ein Mädchen.»
    «Gut.»
    «Aber
nicht Gordon?»
    «Nicht
Gordon.»
    «Ich finde
einen Namen für dich.»
    Sie kamen
an eine Stelle, wo die Straße nach rechts eine kleine Ausbuchtung hatte. Der
Laster scherte aus und hielt. Die beiden Wölfe konnten passieren, Esther drehte
sich um und winkte dem Fahrer zu. Er wirkte sehr klein in seinem Führerhaus.
     
    Schon von
weitem sah Esther, dass der Schuldirektor am Fenster stand. Schaute er nach
ihr? Hatte er gewartet? Sich gesehnt? Sie wischte sich den Staub aus dem Gesicht,
klopfte ihr Haar aus, streifte das Haargummi über. Als sie zum Fenster
hochschaute, stand er nicht mehr da. Sie sah nach dem Drachen hinter der
Schule, sie sah immer nach dem Drachen. Er lag dort in vertrauter Freundlichkeit,
etwas blass, unten grün gesprenkelt, irgendwas wuchs dort.
    Mehsud saß
nicht hinter dem Schreibtisch, sondern stand davor, seine Arme waren
verschränkt. «Die Mädchen sind nicht gekommen», sagte er.
    Fünf
Minuten lang war Esther in einer vertrauten Welt gewesen. Eine Frau geht zu
einem Mann, der sie erwartet, nicht aufgeregt, aber doch ein bisschen
gespannt. Der Satz des Schuldirektors hatte sie aus dieser Welt herausgerissen,
und für einen Moment hatte sie Probleme, sich zu orientieren. «Warum sind sie
nicht gekommen?»
    Er kramte
auf seinem Schreibtisch herum und nahm dann das Blatt in die Hand, das nach
Esthers Eindruck ohnehin oben gelegen hatte. Er setzte sich hin und schaute
eine Weile auf das Blatt, ohne etwas zu sagen. Das Papier war gelblich, Esther
konnte erkennen, dass es auf der anderen Seite beschrieben war. Am oberen Rand
war es eingerissen, die Ecke links unten fehlte.
    «Was ist
das?», fragte Esther.
    «Das war
heute ans Schultor genagelt.»
    «Was steht
drauf?»
    «Nicht
viel eigentlich.»
    «Dafür
schauen Sie es sich aber schon lange an.»
    «Ich
wundere mich immer, was Worte können. Wir haben hier einen Zettel, der zu
einem Drittel beschrieben ist, mit schlichten Worten, könnte man sagen, von jemandem,
der die Orthographie unserer Sprache nicht beherrscht, der auch keinen Sinn
dafür hat, dass aus Worten Schönheit entstehen kann, diesen Sinn hat er gar
nicht, und trotzdem baut er Sätze, die sehr viel verändern können. Damit reiht
er sich gewissermaßen in eine Tradition ein. Es sind Worte, die die Welt
verändern. Finden Sie nicht?»
    «Vielleicht
könnten Sie mir erst sagen, was dort steht.»
    «Ich weiß
nicht, ob Sie das wirklich hören wollen.»
    «Ich
möchte das hören.»
    «Es sind
wirklich keine schönen Worte. Insbesondere in den Ohren einer Frau können sie
verstörend klingen.»
    «Ich bin
Soldatin, wie Sie vielleicht bemerkt haben. Ich kann Ihnen versichern, dass
meine Ohren an unschöne Worte gewöhnt sind.»
    «Deutsche
Hurensöhne? Sind Sie daran gewöhnt?»
    «Das steht
dort?»
    «Das steht
hier.»
    «Und was
steht da noch?»
    «Amerikanische
Schweine. Auch nicht schön.»
    «Könnten
Sie so freundlich sein und mir endlich sagen, worum es bei diesem Schreiben
geht?»
    «Natürlich.
Hier steht, dass alle, die ihre Töchter in die Schule der deutschen Hurensöhne
und der amerikanischen Schweine schicken, damit rechnen müssen, sehr viel
Ärger zu bekommen. Das ist etwas verkürzt, aber im Wesentlichen steht genau das
auf diesem Blatt.»
    «Hat das
außer Ihnen noch jemand gesehen?»
    «Jeder hat
das gesehen.»
    «Warum
haben Sie es nicht abgerissen, bevor die Schule begonnen hat?»
    «Ich habe
es

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