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Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriegsbraut
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standen die Sowjets unter großem Druck, es gab Anschläge und
Überfälle, und die fremden Soldaten wurden brutaler, immer häufiger kam es zu
Razzien, Verhaftungen, Erschießungen. Sie zogen ab, es folgte der Bürgerkrieg,
dann kamen die Taliban.»
    Esther
hatte sich gegen die Fensterbank gelehnt. Sie dachte, er würde weitererzählen,
aber er schwieg. «Und wie war es mit den Taliban?»
    «Ich habe
sie nicht lange erlebt, ich bin nach Pakistan geflohen.»
    «Und Ihre
Familie?», fragte Esther.
    «Das ist
eine lange Geschichte», sagte Mehsud, «und Sie müssen jetzt fahren.»
    «Beim
nächsten Mal?»
    «Vielleicht
beim nächsten Mal.»
    «Beim
nächsten Mal.»
    «Gut, beim
nächsten Mal.»
     
    Am Abend
wurden Esther und Ina von Maxi ins Lummerland geschickt. Sie müsse etwas vorbereiten,
sie sollten um neun Uhr wiederkommen, aber keine Minute vorher. Ein paar
Norweger waren da, Italiener, man kickerte, Deutschland gegen Italien,
Deutschland gegen Norwegen. Der Ball knallte gegen die Bande, Schreie,
Stöhnen. Wer verlor, musste unter dem Kicker durchkriechen, Gelächter, Italien
gegen Norwegen. Sie saß mit Ina auf einem Sofa, trank Bier, und, klar, sie
blieben nicht lange allein. Ein Oberleutnant und ein Stabsarzt setzten sich
dazu. Wie es so gehe, wie man mit der Hitze klarkomme, das ganze fade Zeugs.
Der Oberleutnant fragte, ob sie schon das mit Mullah Omar gehört hätten.
«Was?», fragte Ina.
    «Dass er
hier ist, in einer Höhle, nur zehn Kilometer entfernt.»
    «Ist doch
nur ein Gerücht», sagte Esther.
    «Nein,
nein, er lebt dort mit seinem Stab und seinem Harem, vier bis fünf Frauen.»
    Ina verzog
das Gesicht. «Woher wollen Sie das denn wissen?»
    «Einer der
Dolmetscher ist dort gewesen, als Unterhändler.»
    «Wieso als
Unterhändler?», fragte Esther.
    «Das ist
doch klar», sagte der Stabsarzt. «Solange Mullah Omar hier ist, gibt es keine
Kämpfe, er braucht Ruhe, um den Krieg gegen die Amis zu führen.»
    «Und wir
wollen doch auch Ruhe», sagte der Oberleutnant, «das passt doch.»
    «Aber
jetzt ist da ein Problem», fuhr der Stabsarzt fort. «Es hat sich eine Gruppe
gebildet, die Mullah Omar liquidieren will, ein paar Infanteristen unter dem
Kommando eines Hauptmanns. Die machen uns hier alles kaputt, weil die das
Kopfgeld wollen.»
    «Zwanzig
Millionen», warf der Oberleutnant ein.
    «Wir
überlegen, ob wir auch eine Gruppe bilden», sagte der Stabsarzt.
    «Was für
eine Gruppe?», fragte Esther.
    «Eine
Mullah-Omar-Gruppe», sagte der Oberleutnant, «wir schützen ihn vor diesen
Irren. Wenn die Jagd auf Mullah Omar machen, herrscht hier bald Krieg, und das
kann doch keiner wollen.»
    Esther sah
Ina an, aber die starrte gebannt auf den Oberleutnant.
    «Und wie
wollt ihr das machen?», fragte Ina.
    «Wir
versuchen herauszufinden, wann die Gruppe vom Hauptmann losschlagen will.»
    «Und
dann?»
    «Müssen
wir losschlagen.»
    «Wollt ihr
noch ein Bier?», fragte der Stabsarzt. «Nein, ich gehe schlafen», sagte Esther.
Sie stand abrupt auf und lud Ina mit einem Blick ein mitzukommen.
     
    Esther und
Ina lauschten an der Stubentür, hörten nichts. Sie klopften.
    «Moment»,
rief Maxi, «geht von der Tür weg!» Sie machten ein paar Schritte zur Seite.
Maxi kam heraus, sie trug ihre Uniformhose und ein T-Shirt und war stark
geschminkt, die Wangen rot, die Augen grün. «Ihr müsst jetzt die Augen
zumachen», sagte sie. Esther schloss ihre Augen und spürte, wie Maxi ihre Hand
nahm. Sie wurde in die Stube geführt. «Du bleibst hier stehen, bis ich wieder
da bin», sagte Maxi, «aber nicht die Augen öffnen.» Esther stand still und
meinte, brennende Kerzen zu riechen. Das Licht war nicht an, das merkte sie
durch ihre Lider. Sie hörte Schritte und spürte, wie Inas Schulter gegen die
ihre stieß. «Moment», sagte Maxi. Esther hörte, wie sie etwas in einen Laptop
tippte. Musik erklang, «Wish you were here» von Pink Floyd. «Jetzt könnt ihr
die Augen aufmachen!»
    Esther
öffnete die Augen und erschrak, weil eine Frau in einer Burka vor ihr stand.
Sie trug Maxis blaue Burka, reich und bunt bestickt, auf dem Kopf, auf den
Schultern, den Brüsten, dem Bauch. Zu ihren Füßen standen Teelichter und
Kerzen, von denen in dünnen Fäden Rauch aufstieg. Sie regte sich nicht.
    «Wer ist
das?», rief Ina und machte einen Schritt zurück.
    «Das ist
Fatima», sagte Maxi.
    «Die lebt
doch nicht, oder?», fragte Ina bange.
    Natürlich
lebt sie nicht, dachte Esther. Es ist eine Burka, die über irgendetwas

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