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Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriegsbraut
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viele Soldaten
gesehen, Russen, Amerikaner, Afghanen, Pakistani. Niemand ist so wie die
Deutschen, die Deutschen sind die nettesten Soldaten der Welt, sie schießen
nicht, sie winken. Weil sie denken, dass sie unschuldig bleiben, wenn sie
winken. Das ist Unsinn. Wenn sie den Mohnbauern zuwinken, statt ihre Felder
abzubrennen und sie zu erschießen, gibt es billige Drogen in Deutschland, an denen
die deutschen Kinder verrecken. Ist das Unschuld? Ich sage dir: Man ist
schuldig, sobald man afghanischen Boden betritt. Wer unschuldig sein will, muss
zu Hause bleiben.»
    «Aber wer
zu Hause bleibt und zusieht, wie in Afghanistan ein neuer Bürgerkrieg ausbricht,
macht sich auch schuldig.»
    «Einigen
wir uns darauf: Solange es Afghanistan gibt, ist niemand unschuldig.»
    Esther sah
auf die Uhr und stand auf. «Leider ist es immer so kurz», sagte sie.
    Er erhob
sich von seinem Stuhl und öffnete ihr die Tür.
    Esther
hätte ihn gerne berührt, traute sich aber nicht. «Wie hast du deine Frau
eigentlich kennengelernt?», fragte sie.
    «Du wirst
lachen: beim Tanzen. An der Universität hat einer der russischen Professoren
einen Tanzkurs organisiert. Dort habe ich sie kennengelernt, beim Quickstep.»
    Auf der
Rückfahrt schlief sie ein, trotz der Schaukelei, trotz des Staubs, den der
vordere Wolf aufwirbelte. Erst am Fluss wachte sie wieder auf. Der Wolf kippte
nach vorn, tauchte mit der Nase ins Wasser.
    «Was ist,
wenn der Schuldirektor Mullah Omar ist?», fragte sie Tauber, als sie am anderen
Ufer waren.
    «Was soll
dann sein?»
    «Wir
müssten ihn umbringen.»
    «Wir
würden reich.»
    «Du
könntest einen Wintergarten aus Gold bauen.»
    «Und einen
Bugatti Veyron davorstellen.»
    «Und
dann?»
    «Was
dann?»
    «Weiß
nicht.»
    «Ist er
Mullah Omar?»
    «Frage ich
dich.»
    «Du musst
es wissen.»
    «Warum
muss ich es wissen?»
    «Du
verbringst viel Zeit mit ihm.»
    «Er ist
nicht Mullah Omar.»
    «Schade.»
    «Zum
Glück.»
    Sie
dämmerte vor sich hin. Es regnete, aber Wolken sah sie nicht. Kleine Tropfen
auf der Windschutzscheibe, die Scheibenwischer quietschten. Ein Junge stand am
Wegesrand. Als sie ihn passierten, ließ er eine flache Hand an seiner Kehle
entlanggleiten.
    «Halt mal
an», sagte sie zu Tauber.
    Der Junge
drehte sich um und lief auf das Feld hinaus. Esther sah ihm lange nach, dann
setzten sie die Fahrt fort.
     
    Esther war
im Bad, als die Sirene losheulte. Aus den Lautsprechern schnarrte eine Stimme:
«Deichbruch Bunker, Deichbruch Bunker!» Sie ging zurück auf die Stube, Ina und
Maxi waren schon dort. Alle zogen die Schutzwesten an und setzten die Helme
auf. Ein Pfeifen, ein Krachen, laut, aber nicht nahe bei ihr. Jemand schrie.
    «Gegen das
hier haben die nichts», sagte Ina und klopfte gegen die Wand. Die Häuser waren
als Bunker ausgebaut.
    «Das haben
die Franzosen in Dien Bien Phu auch gedacht», sagte Maxi.
    «Was war
in Dien Bien Phu?», fragte Esther.
    «Die
Franzosen saßen in einem Tal in einer fetten Festung und dachten, sie seien
sicher. Aber die Vietminh-Verbände haben schwere Kanonen auf die umliegenden
Berge geschleppt und die Franzosen fertiggemacht.»
    Ina und
Esther sahen sich überrascht an. Das war Männerwissen. Die Männer wussten
alles über Leonidas bei den Thermopylen, Alexander bei Gaugamela, Hannibal bei
Cannae, William bei Hastings, Friedrich bei Leuthen, Napoleon bei Jena und
Auerstedt, Moltke vor Sedan, Hindenburg bei Tannenberg, Paulus in Stalingrad,
und die drei Frauen waren sich einig gewesen, dass sie damit entsetzlich
langweilten. Nun kam Maxi mit Dien Bien Phu.
    «So
schwere Kanonen haben die Taliban gar nicht», sagte Ina. Es klang ein bisschen
Hoffnung mit. Das Gespräch versiegte.
    Esther
fiel in eine Trance, in der sich Traumfetzen mit Gedanken mischten. Sie sah
ihren Vater in einem langen, sehr schmalen Pool schwimmen, ihre Mutter saß an
ihrem Schreibtisch und malte Dreiecke auf einen toten Fisch, dann fragte sie
sich ernsthaft, was Thilo gerade machte und ob es Fortschritte gab beim
Riefenstahl-Projekt, bis sie wieder wegdämmerte und einem hässlichen Zwerg
mütterlich über den Kopf strich.
    «Ob noch
mehr Raketen kommen?», fragte Ina.
    «Wie geht
es Fatima?», fragte Esther.
    «Gut»,
sagte Maxi.
    Sie nahm
ihren Stahlhelm ab und setzte ihn Fatima auf.
    «Das
solltest du nicht tun», sagte Esther. «Sie braucht keinen Helm», sagte Ina.
«Braucht sie doch», sagte Maxi und legte sich wieder auf ihr Bett. «Jemand hat
geschrien», sagte Esther. «Wer hat

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