Kurbjuweit, Dirk
Körper, schöne Körper,
schön inszeniert. Das war alles sehr weit weg für sie, und sie war froh, dass
sie hier niemandem davon erzählt hatte, sonst wäre sie die Erste, die unter
Verdacht geraten würde. Ein paar Idioten hatten sich «Triumph des Willens»
angeschaut und sicherlich auch die Olympiafilme, weil sie ja alle Körper haben
wollten, als sollten sie für einen Film der Riefenstahl gecastet werden.
Am Abend
fragte sie Ina und Maxi, ob sie «Triumph des Willens» gesehen hätten. Das Licht
war aus, Fatima stand in der Mitte der Stube, zu ihren Füßen brannten Kerzen
und Teelichter.
«Ich
nicht.»
«Du?»
«Nö.»
«Nur Jungs
wahrscheinlich», sagte Ina. «Warum nur Jungs?»
«Die
interessieren sich mehr für Uniformen.»
«Heißt es
Nazinin?», fragte Maxi. «Nazene.»
«Nazöse.»
«Interessieren
wir uns nicht für Uniformen?», fragte Esther.
«Nur wenn
sie von Prada wären.»
«Oder von
Stella McCartney.»
«Heißt das
auch, dass wir schlechtere Soldaten sind?», fragte Maxi.
Ina sagte,
sie glaube nicht, dass die Frauen im Kampf schlechter seien. Aber sie könnten
sich nicht so für Panzer und andere Fahrzeuge begeistern wie Männer, nicht für
Waffen, und sie trügen auch nicht gerne Uniform, sie fänden Fahnenappelle nicht
toll, Orden nicht und das ganze Brimborium. Das sei Spielerei, und die sei für
Männer gemacht. Männer wollten spielen, Frauen nur den Job. Man könne mit
Frauen in eine Schlacht ziehen, aber nicht einen Feldzug bestreiten, der über
Jahre dauert. «Wir wollen nicht jeden Morgen neben einem Panzer aufwachen»,
sagte sie. «Dann hätten wir bald die Schnauze voll und wollten nach Hause. Im
Russlandfeldzug wären wir nach dem ersten Winter nach Hause gegangen.»
«Meinst
du?», fragte Maxi.
«Ja.»
«Glaube
ich auch», sagte Esther.
«Der
Oberleutnant sagt, Mullah Omar habe den Beschuss befohlen.»
«Triffst
du den immer noch?»
«Wir haben
nochmal über alles geredet.»
«Und wie
geht's Mullah Omar?»
«Er
möchte, dass Fatima in seinen Harem kommt. Ich finde, Fatima könnte Mullah Omar
heiraten, dann hätten wir einen guten Draht zu ihm.»
«Sie will
ihn nicht heiraten», sagte Maxi.
«Warum
nicht?»
«Sie mag
ihn nicht. Heirate du ihn doch.»
«Ich bin
schon verheiratet.»
«Haha!»
«Was
meinst du damit?»
«Hört
auf», sagte Esther.
Ina gab
Fatima einen Tritt, sie schlug lang hin. Maxi sprang von ihrem Bett, stellte
Fatima wieder auf. «Entschuldige dich bei ihr», sagte sie zu Ina.
«Bei einer
Puppe?»
«Sie ist
keine Puppe.»
«Klar ist
sie eine Puppe.»
«Sie ist
nicht mehr eine Puppe, als du eine bist.»
«Ich bin
keine Puppe. Sag nicht, dass ich eine Puppe bin.»
«Fatima
ist auch keine Puppe.»
Sie
standen sich gegenüber, Maxi mit hängenden Schultern, fast gebeugt, Ina
angespannt, herausfordernd. «Hört doch auf», sagte Esther.
Ina schlug
Maxi hart ins Gesicht. Maxi war überrascht und konnte den Schlag nicht
abfangen. Sie taumelte kurz, stürzte sich dann auf Ina, riss sie zu Boden,
drehte sie auf den Bauch, setzte sich auf sie und bog ihren Arm um. Ina schrie
auf.
«Sag, dass
es dir leidtut.»
Ina
ächzte, sagte nichts. Maxi bog den Arm weiter. Ina schrie wieder auf. «Sagst du
es jetzt?»
«Tut mir
leid, Fatima», sagte Ina gepresst.
Maxi stand
auf und stellte sich vor Fatima, Ina ging raus. Nach zehn Minuten kam sie
wieder und legte sich schweigend ins Bett. Esther hörte die halbe Nacht, wie
Maxi Wachs von der Burka kratzte und knibbelte. Fatima war in die Kerzen
gefallen.
Esther
musste noch zwei Tage warten, dann durfte sie wieder fahren. Sie sah diese
Landschaft nun anders, sie kam ihr noch schroffer, karger, feindseliger vor.
Und die Menschen waren ihr verdächtiger denn je. In jedem Gesicht am
Straßenrand glaubte sie die Bereitschaft zu entdecken, eine Rakete auf deutsche
Soldaten zu schießen. Die taten doch nur harmlos. Es war diesig heute, die
Sonne sah aus wie ein Spiegelei, ein gelber, leuchtender Kreis, ringsum blasses
Weiß. Es war nicht mehr so heiß wie in der vergangenen Woche, sechsunddreißig
Grad. Als die Schule in Sicht kam, starrte sie angestrengt zum Fenster des
Direktorenzimmers. Stand er dort? War da nicht ein Schatten? Aber vielleicht
wollte er nur schauen, ob ein Schüler, der sich krank fühlte, sicher nach Hause
gelangte. Dann sah sie, dass niemand am Fenster stand.
«Wo warst
du am Montag?», fragte er. «Und am Donnerstag?»
«Es gab
einen Raketenangriff, wir durften ein paar Tage
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