Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriegsbraut
Vom Netzwerk:
er hatte
in diesem Jahr nur ein Kinderbecken nach Putbus verkauft, und es war schon
August.
    Den
Fischen ging es gut, der japanische Botschafter hatte dem Meeresmuseum einen
Koi mit einem roten Punkt geschenkt. «Nun schwimmt bei uns die japanische
Fahne», sagte ihre Mutter. Esther fühlte sich unwohl bei diesem Gespräch, weil
das Wesentliche nicht ausgesprochen wurde - dass sie verliebt war, verliebt in
einen afghanischen Schuldirektor. Sie erzählte vom Essen, von den Fahrten und
beteuerte, wie immer, dass alles ruhig sei, keine Zwischenfälle, Kämpfe schon
gar nicht. Sie beendeten das Gespräch, ebenfalls wie immer, mit dem Hinweis,
dass es teuer sei, von Afghanistan nach Deutschland zu telefonieren. Diesmal
sagte Esther diesen Satz. Ein Kuss nach Hause, auch für Papa, ein Kuss nach
Afghanistan, auch von Papa, und sie legten auf.
    Die
Gefühle für Mehsud hatten Esthers Wahrnehmung der Welt stark verändert. Es gab
jetzt tatsächlich Zeit und Zwischenzeit. Zeit waren die Stunden bei ihm, Zwischenzeit
war der Rest. Selbst wenn sie ihn sah, erlebte sie eine Stunde Zeit und
dreiundzwanzig Stunden Zwischenzeit, ein unerträgliches Verhältnis. Gespräche
bestanden für sie nur noch aus dem Gegenstand und dem Verschwiegenen, wobei
das Verschwiegene immer wesentlich war, der Gegenstand nie.
    Auch
Esthers Wahrnehmung des Lagers hatte sich noch einmal geändert. Sie störte sich
an nichts mehr, alles war ihr willkommen, weil es ihre Geschichte mit Mehsud
möglich machte. Ohne diesen Einsatz, ohne dieses Lager hätte sie ihn nie
getroffen, könnte sie nicht zweimal in der Woche zu ihm fahren, auch wenn das
natürlich zu wenig war. Sie mochte jetzt die Geschäftigkeit, sie mochte sogar
die Bulldozer, das alles diente dazu, ihr die Kulisse zu erhalten für ihre
Liebe. Für ihren Film, hatte sie einmal gedacht, aber dieser Gedanke war ihr zu
nahe bei Thilo.
    Esthers
Wecker klingelte eine halbe Stunde früher als sonst. Die anderen schliefen
noch, Inas Hand hing vom Bett herunter. Maxi lag auf dem Rücken, ihr Mund stand
offen. Esther zog ein langes T-Shirt an, schlüpfte in ihre Badelatschen und
ging ins Bad. Dort war niemand um diese Zeit. Sie duschte und wusch sich
gründlich die Haare. Sie rasierte ihre Achselhöhlen mit einem Plastikrasierer,
dann die Beine. Von ihrem Schamhaar nahm sie die Seiten weg und ließ einen
mittelbreiten Streifen mit geraden Rändern. Sie rieb ihre Haut trocken und
cremte sich mit Feuchtigkeitsmilch ein. Dann wickelte sie sich in das Handtuch,
stellte sich vor den Spiegel und föhnte ihr Haar. Sie schminkte sich so, dass
nicht jeder gleich sehen würde, dass sie geschminkt war, aber wenn man sie
genau betrachtete, aus der Nähe betrachtete, würde man es sehen. Ihre Augen
wirkten dunkler, intensiver. Aus ihrem Kulturbeutel nahm sie eine Pappe, auf
die Haarbänder in verschiedenen Farben gespannt waren. Sie klemmte ein
dunkelrotes Haargummi zwischen ihre Lippen und formte mit zwei Händen einen
Pferdeschwanz. Während sie das tat, kam Maxi herein, wünschte einen guten
Morgen und verschwand in einer Duschkabine. Esther hielt den Pferdeschwanz mit
der linken Hand fest und streifte mit rechts das Haargummi über. Wasser
rauschte. Ina und eine andere Soldatin kamen herein. Esther betrachtete ihre
Frisur im Spiegel, nicht unzufrieden. Auf der Stube zog sie eine weiße
Unterhose mit einer kleinen Schleife an und einen weißen BH. Sie betrachtete
sich noch einmal in einem Handspiegel, weil sie die Frau sehen wollte, die sie
war. In Ordnung. Das Wort begehrenswert fiel ihr ein, lange nicht mehr gedacht,
seltsam auch, darüber konnten ja nur andere entscheiden. Etwas widerwillig
wurde sie Soldatin, olivgrünes T-Shirt, Flecktarnhose, graue Socken,
Flecktarnjacke, Stiefel, Koppel, Pistole, die Sonnenbrille steckte sie ins
Haar.
    Esther
wartete, bis Maxi und Ina fertig waren, dann gingen sie zusammen zum Frühstück.
Esther nahm ein Brötchen, Butter, Erdbeermarmelade, eine kleine Schüssel
Cornflakes mit Milch, einen Joghurt mit Aprikosengeschmack, einen Becher
Kaffee, keine Milch, keinen Zucker. Sie aßen schweigend und zügig. Kurz darauf
standen sie nebeneinander an den Waschbecken und putzten ihre Zähne. Als Esther
fertig war, holte sie die Schutzweste und den Helm aus ihrer Stube. In der Waffenkammer
ließ sie sich ihr Gewehr geben. Sie ging zu den Stabsgebäuden und las die
Berichte über die Sicherheitslage. Die Nacht war ruhig gewesen, keine Zwischenfälle,
Sicherheitsstufe grün. Ein

Weitere Kostenlose Bücher