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Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriegsbraut
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sich. Damit waren die Totenschädel und der Kuss
gedanklich verknüpft, und sie fragte sich, ob das ein Zeichen sein konnte, eine
Warnung, aber sie war ja nicht abergläubisch. Ihr fiel Maxi ein, Maxi mit ihrer
Fatima.
    Sie
verließen die Schlucht, schlängelten sich einen Berg hinauf, und Esther dachte
wieder über den Kuss nach. Kein Spaziergang also, es würde im Direktorenzimmer
passieren. Falls es überhaupt passierte. Was sagen? Sie hatte Männer immer
lachhaft gefunden, die ein Gespräch auf einen ersten Kuss zulenkten und dabei
abcheckten, wie gefährlich ein Vorstoß sein würde. Ein Gespräch war ein
Gespräch, ein Kuss ein Kuss. Sie mochte den Überfall. Ein letztes Wort, ein
samtiger Blick, dann der Kuss. So musste es sein. Natürlich konnte man scheitern.
Sie hatte Männer hin und wieder scheitern lassen. Klasse war dann selten.
Eigentlich hätten sie ja nur Spaß gemacht. Haha. Schönen Abend noch und auf
Nimmerwiedersehen. Die beste Reaktion, die sie erlebt hatte: Entschuldigung,
ich musste es einfach tun. Auch nicht großartig, aber mehr konnte man wohl
nicht erwarten.
    Was würde
sie tun, wenn Mehsud sie scheitern ließ? Ihre Männer hatten ihr keinen Satz
geliefert, den sie übernehmen wollte. Größe zeigen, nur wie? Oder rausrennen
und heulen? Oder sich entschuldigen? Beim letzten Besuch hatte sie mit ihm
darüber geredet, wie es so ist mit Männern und Frauen in ihren jeweiligen
Gesellschaften. Es hatte wehgetan, weil sie bald so weit war, die westlichen
Männer zu verteidigen. Sie hatte angefangen, sanft erst, dann ein bisschen
verbissen. Sie attackierte die islamischen Gesellschaften: die Unterdrückung
der Frau, Kopftuch, Schleier, Burka, Reduktion auf Haushalt und Kinder,
Patriarchat. Er kam dauernd mit Gegenbeispielen, leicht ironisch vorgetragen.
Was wohl qualvoller sei, ein Abend unter einem Kopftuch oder ein Abend auf
Schuhen mit zehn Zentimeter hohen Absätzen? Sie ärgerte sich, dass sie
Kopftuch, Schleier und Burka in einem Atemzug genannt hatte. Da nahm er sich natürlich
das Harmloseste raus und baute seinen Gegenangriff darauf auf. Die Schuhe,
sagte sie, würden nicht getragen, weil es eine Vorschrift sei, sondern weil die
Frauen das so wollten. «So?», fragte er, wieder diese Ironie, eine Spur
Süffisanz jetzt. «Die Frauen machen das nicht, weil sie den Männern darin
gefallen wollen, gefallen wollen müssen, da sie sonst als prüde gelten oder
langweilig?»
    «Nein, sie
wollen sich selbst gefallen», sagte sie. Das war höchstens die halbe Wahrheit,
wie sie wusste. Und er wusste es auch. Unter den Russen hatte er eine sexuell
libertäre Gesellschaft kennengelernt, das machte es so schwierig mit ihm. Ich
würde auch zehn Zentimeter hohe Absätze für dich tragen, dachte sie zwischendurch.
«Man kann das wirklich überhaupt nicht vergleichen», sagte sie. Das klang ein
bisschen hilflos, obwohl es stimmte. Davon war sie überzeugt. Aber erst einmal
Zeit gewinnen. «Kann man nicht?», fragte er sofort. «Niemand in Deutschland
muss hohe Schuhe tragen», sagte sie, «aber bei euch müssen viele Frauen eine
Burka tragen.» Das war ihr Versuch zu entkommen, es war leichter, mit der
Burka zu argumentieren. Natürlich merkte er das, ließ es nicht zu: «Das Kopftuch
verhindert, dass Frauen zu Opfern der sexuellen Gier der Männer werden, die
hohen Schuhe machen die Frauen zu Opfern der sexuellen Gier der Männer. Ist es
nicht so?»
    «Nein»,
aber im Moment fiel ihr kein Argument dagegen ein, dann: «Es geht um die
Entscheidung. Können Frauen entscheiden, was sie anziehen oder nicht? Bei uns
können sie es, bei euch nicht.» Plötzlich hatte sie große Lust, sich mal wieder
auf hohen Schuhen zu sehen, und nahm das als Beleg für ihre Position, obwohl,
andererseits, sie ganz schön gelitten hatte in den Dingern. Über diesen
Gedanken verpasste sie, wie Mehsud weiter argumentierte, irgendwie war das
Wort Respekt gefallen. Er nahm wohl an, dass islamische Gesellschaften respektvoller
mit Frauen umgehen würden als westliche, weil sie die Geschlechterrollen klar
trennten, während die Frauen im Westen scheinbar alles machen könnten, was Männer
auch machen, sie dann aber in diesen Männerrollen diskriminiert würden. Das war
nicht zu leugnen, musste jetzt aber geleugnet werden, wenigstens so halb. Es
gebe das, stimmt, sagte sie, in vielen Bereichen allerdings würden Frauen nun
ganz nach oben kommen, und ganz oben könne man nicht mehr diskriminiert werden.
«Zum Beispiel haben wir eine

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