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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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in das Eckzimmer. Auf dem Rückzug
ließ er eine im Treppenhaus fallen.

    Erst jetzt kamen Schreie, sie waren hoch und schrill und
machten das Chaos nahezu perfekt. Dann folgten die nächsten Detonationen.

    Milan trug Angela über der Schulter wie einen Sack und
lief so leichtfüßig vor Grau her, als hätte sie das Gewicht einer Feder. Sie
rannten durch die Gärten, dann zwischen den Häusern hindurch, wo sie
schließlich auf Luiz stießen, der in seinem Wagen wartete.

    Grau keuchte. »Ab die Post.«

    Luiz sagte anerkennend: »Die Kleine ist wirklich hübsch!
Ich fahre nicht zu schnell, sonst fallen wir nur auf.«

    Er ließ es also zunächst langsam angehen, wurde dann
schneller, erreichte eine Ausfallstraße, und erst jetzt gab er richtig Gas.
Offenbar genoss er dieses Abenteuer, er machte das Radio an und klopfte den
Takt der Rockmusik auf das Lenkrad.

    Das Mädchen wurde wach und fragte angstvoll: »Was ist,
was ist? He, was ist?«

    »Du bist ganz still«, sagte Grau grob. »Du wirst eisern
die Schnauze halten, sonst töten wir dich!«

    Sie schwieg, sie hockte neben Milan hinten im Wagen und
schloss sicherheitshalber die Augen, weil er wie ein drohender Schatten halb
über ihr thronte.

    »Na prima!«, sagte Luiz zufrieden und gab noch ein wenig
mehr Gas.

    Nach einer Stunde waren sie am Ziel. Der Hubschrauber
wartete im Norden der kleinen Stadt hoch über dem Fluss auf einem kleinen,
grasbewachsenen Plateau.

    Als sie noch durchs Gras rollten und Luiz erleichtert verkündete:
»Das war’s, Leute!«, ließ Negro schon das Triebwerk an. Es spuckte ein paarmal
und zog dann brav durch. Es dröhnte.

    »Du bist ja schon bezahlt«, sagte Grau zu Luiz. »Ich danke
dir.« Dann fiel ihm die verhärmte Frau ein, der Luiz einen Hunderter gegeben
hatte, und er zupfte zwei Hundertdollarnoten aus dem Bündel. Er sagte: »Das war
verdammt gut, Luiz. Ich werde dich weiterempfehlen.«

    Merkwürdigerweise schüttelte Luiz aber den Kopf. »Ist
schon gut, Compadre. Nicht zu viel, ich könnte glauben, ich habe Glück.«

    »Du hast Glück. Du warst wirklich gut. Komm heil nach
Hause.«

    Sie stiegen aus und gingen hinüber zu dem wartenden
Hubschrauber. Sie duckten sich unter den kreisenden Rotorblättern hindurch.
Milan hielt Angela in seinem eisernen Griff und sagte kein Wort.

    »He, Leute, he, gut!«, schrie Negro. Er deutete auf seine
Kopfhörer, die gleichzeitig als Gehörschutz dienten. Er wartete, bis sie alle
eingestiegen waren und sich angeschnallt hatten. Grau hockte neben ihm und
starrte auf das silberne Band des Flusses, zweihundert Meter unter ihnen.

    »Dann wollen wir mal!«, jubelte Negro. Er zog leicht die
Maschine hoch, glitt nach links und stürzte dann, Fahrt aufnehmend, fast
senkrecht wieder nach unten, dorthin, wo der Fluss nach Norden zog und sich
langsam Nebelschwaden in den Büschen bildeten. Er lachte, vollführte einige
wilde Manöver, Negro liebte das Leben, solange er einen vollen Tank hatte.

    »Milan«, sagte Grau, »war es nicht viel zu leicht?«

    »Du könntest recht haben«, sagte Milan. »Aber es ist ja
noch nicht zu Ende.«

    Es war nicht sehr dunkel, sie flogen ganz dicht über dem
Fluss. Negro saß ganz locker in seinem Sitz und bediente souverän Pedal und
Knüppel. Er schwätzte mit Grau.

    »Was machst du, wenn Bullen kommen?«, fragte Grau.

    »Nichts«, erwiderte Negro. »Runtergehen, landen, ein
dummes Gesicht machen und Bares zeigen. Die Kleine ist Zucker. Ihre Familie hat
viel Geld, eh?«

    »Sehr viel Geld«, nickte Grau. »Fliegst du eigentlich
auch Schnee?«

    Negro schüttelte den Kopf. »Nein. Nur Passagiere. Schnee
fliegen hat früher Spaß gemacht, brachte auch viel Geld. Jetzt nicht mehr,
jetzt ist Escobar krepiert, sie rangeln um Posten und Pöstchen. Die großen
Geschäfte laufen nicht mehr. Werden bessere Zeiten kommen, denke ich, irgendwann.«

    »Wie geht es weiter nach Barranquilla? Du hast einen Mann
namens Zero erwähnt.«

    »Nach Mompos«, sagte Negro. »Mein Funkgerät ist zu
schwach. Hier unten erwischt uns sowieso kein Radar. In Barranquilla, wenn
jemand fragt, sagt ihr einfach, wir kommen aus Cartagena vom Baden. Okay? Verrückte
Touristen, die unbedingt in Cartagena baden wollten. Ja, Mann, so ist das Leben
hier.«

    Der Zwischenstopp in Mompos war eine Sache von Minuten.
Negro hatte kurz vorher auf seinem Funkgerät zu spielen begonnen und jemanden
erwischt, dem er dann voll Verachtung von einigen idiotischen Touristen
erzählte, die unbedingt an den

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