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Kurier

Kurier

Titel: Kurier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Berndorf
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Verhandlungsspielraum bestimmte Preise festgesetzt hatten, um durch
ihre karge Lehrlingszeit zu kommen: drei bis fünfhundert Mark pro Abzug.

    Der Referatsleiter des Auswärtigen Amtes, der beschlossen
hatte, Steeben schlichtweg für nicht existent zu erklären, geriet ins
Hintertreffen, als sein Kontrahent auf einer eigens einberufenen intimen
kleinen Pressekonferenz vor befreundeten Journalisten erklärte, man habe
Steeben aus gutem Grund geleugnet, denn er sei nicht nur ein Kurier, sondern
sogar Geheimkurier in hochbrisanter Mission gewesen.

    Bereits seit Tagen stehe er auf der Verlustliste, nun
aber sei man endlich in der Lage, auch definitiv zu erklären, dass Steeben bei
einer Mission in Rio de Janeiro entweder tödlich verunglückt oder aber
irgendwie um die Ecke gebracht worden sei. Völlig aufgeklärt sei das alles
jedoch noch nicht.

    Auf keinen Fall, so der siegreiche Referatsleiter, sei
Steeben identisch mit dem Toten, den man in Berlin gefunden habe. Steeben habe
nach sehr soliden, umfassenden Kenntnissen des Auswärtigen Amtes niemals mit
irgendwelchen Leuten aus der internationalen Drogenszene Verbindung gehabt.

    Sehr geschickt berief der Referatsleiter vierundzwanzig
Stunden nach diesem ersten Statement die gleiche Runde erneut ein. Diesmal
sagte er traurig triumphierend: »Wir haben ihn gefunden!« Offensichtlich sei
der Gesuchte in Rio einem heimtückischen Verbrechen zum Opfer gefallen – im
Dienst für Deutschland. Man werde die Leiche überführen, der Vater sei bereits
benachrichtigt.

    In der Zwischenzeit wurde in Berlin im Eilverfahren die
Leiche des Ulrich Steeben allen erreichbaren Ressortleitern der Kripo
vorgeführt. Wer der Meinung war, dieser ominöse Tote gehe ihn nicht mittelbar
an, hatte zu unterschreiben. Sie unterschrieben alle. Selbstverständlich gab es
sowohl protestierende Staatsanwälte als auch Kriminalbeamte der Mordkommission,
aber sie wurden mit der Versicherung fortgeschickt, es gehe um höchste
Staatsbelange.

    Wer eigentlich den Befehl gegeben hatte, die Leiche des
Ulrich Steeben alias Markus Schawer blitzschnell im Krematorium zu verbrennen,
war anschließend nur noch sehr mühevoll zu rekonstruieren. Tatsache ist: Seine
sterblichen Überreste wurden zusammen mit den Leichen von zwei Pennern
verbrannt, die drei Tage zuvor an Leberinsuffizienz gestorben waren. Ein
irgendwie zu verifizierendes Gefäß mit der Asche des Ulrich Steeben konnte ich
anschließend nirgends entdecken.

    Da auch deutsche Krematorien ein Hort der Ordnung und
Refugien von in Jahrzehnten gewachsenen Hierarchien sind, muss ich Ihnen wohl
erklären, wieso Steebens Leiche so blitzschnell verbrannt werden konnte. Ich
brauchte lange, um herauszufinden, wie das gedreht worden ist – ein
schrecklicher pietätloser Ausdruck angesichts eines Verblichenen.

    Der Tote lag noch in einem Kellerraum des Krematoriums,
als plötzlich ein junger Mann auftauchte und ihn nachdenklich betrachtete.
Außer ebendiesem jungen Mann hatte niemand mehr Interesse an besagtem Leichnam,
denn unentwegt klingelten Telefone, und allen irgendwie Beteiligten wurde
zugeflüstert, es handele sich dabei um ein absolutes top-secret, das Geheimnis des Jahres gewissermaßen. Das führte
dazu, dass jedermann sich für nicht zuständig erklärte.

    Der junge Mann wies sich freundlich, per flüchtig vorgehaltenem
Pass, als Mitglied des Bundesnachrichtendienstes aus. Er war von seinen Chefs
dazu ausersehen worden, eine Spezialschulung bei der CIA zu absolvieren, und
man hatte blitzschnell begriffen, dass dieser Umstand jetzt ein Geschenk des
Himmels war.

    Man jagte ihn nach Berlin.

    Er hatte im Vorübergehen ein Pappschild ergriffen und es
ausgefüllt. Der Vermerk lautete k. v. w., was so viel hieß wie ›kann verbrannt werden‹. Er rollte den toten Steeben auf
der Bahre in einen anderen Raum. Dort lag er nun zwischen den beiden Pennern,
und der Unbekannte betrachtete ihn noch einmal sehr eingehend, bevor er das
Pappschild an Steebens rechtem großem Zeh austauschte. Er sah zu, wie Steebens
letzte Reise begann, während er freundlich mit dem Aufseher plauderte. Eine
Stunde später war er wieder in der Luft, auf dem Weg nach Washington.

    Der Aufseher im Krematorium sagte im Brustton der Überzeugung:
»Das war wirklich ein feiner Kerl mit Sinn für unsere Arbeit.«

    Um das Maß der Dummheit vollzumachen, benachrichtigte der
siegreiche Referatsleiter des Auswärtigen Amtes eine bekannte Boulevardzeitung.
Deren Reporter durften Zeugen

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