Kurier
macht sie ein anderer.«
»Das sagt er, das stimmt. Zieh doch mal dieses blöde Jackett
aus. Das Badezimmer ist da hinten. Sundern ist in die Geschäfte hineingewachsen,
aber deine Bemerkungen verunsichern ihn. Eigentlich tut er doch nichts
Ungesetzliches. Es ist nur so, dass diese ganze Welt verlogen ist. Grau, ich
möchte eine Reise mit dir machen, wenn das alles vorbei ist. Ich würde gern
irgendwohin fliegen und auf einer Decke in der Sonne liegen und dich lieben.«
»Hast du Kokain genommen?«
»Ich wollte. Heute Morgen, als du diese … diese Sache mit
Steebens Leiche gemacht hast. Ich habe es nicht getan. Ich glaube, ich kann
tatsächlich darauf verzichten.«
»Das ist ja wunderbar«, sagte er warm. »Komm schwimmen.«
Sie sah schön aus in den einfachen Jeans zu schwarzen flachen
Schuhen und einem roten T-Shirt.
Nachdenklich sagte sie: »Es wäre ganz gut, wenn ich nicht
mehr jede Nacht im Memphis rumhocken müsste.
Vielleicht kann ich mich auf das Büro konzentrieren und zu dir heimkommen, wenn
du irgendwelche Dinge schreibst, die die Leute dann am nächsten Tag in der
Zeitung lesen.« Sie drehte den Wasserhahn auf. »Glaubst du, dass Sundern
erledigt ist?«
»Heute Abend blamieren wir White und Thelen zum ersten
Mal, wenn ihr kostbarer toter Steeben über die Mattscheiben flimmert. Wir
können es nur schaffen, wenn wir die Dollars und das Kokain finden. Dann ist
Sundern gerettet: Ganz Berlin wird lachen. Aber eine große Chance haben wir nicht.«
»Glaubst du, wir hätten Zeit, eine kleine Reise zu machen?
Es muss nicht lange sein. Eine Woche vielleicht oder zwei. Grau, du bist ja
total verschwitzt, los, runter mit den Klamotten!«
Er war plötzlich sehr erregt, zog sich hastig aus und murmelte:
»Die Fliesen hier sind aber verdammt hart.«
»Das macht doch nichts«, sagte sie weich. »Da sind jede
Menge Handtücher, die schmeißen wir einfach auf den Boden. Du zitterst ja,
Grau.«
»Du auch«, sagte er lachend, »du, verdammt noch mal,
auch.«
Eine Stunde später saßen sie zusammen im heißen Wasser
und sie versuchte, ihm eine Pfeife zu stopfen, was ihr misslang. Er holte den
Tabak aus dem Pfeifenkopf und stopfte sie neu.
Das Telefon lärmte. »Dörte hier. Pass auf, es ging schneller
als erwartet. Also, ich habe zunächst die Caritas in Berlin angerufen. Da wird
unser Dr. Robert Thelen wie ein Heiliger verehrt. Er ist nämlich auch der Mann,
der die öffentlichen Gelder verteilt. Ich habe mit einer Schwester Oberin Mater
Christina gesprochen. Sie sagte mir sofort, um welche Heime es sich handelt,
und auch, dass an all diesen Heimen gebaut wird. Also: Alle Heime sind
praktisch Baustellen. Natürlich habe ich ihr vorgeschwindelt, dass wir die aufopferungsvolle
Arbeit der Caritas im Dienst der alten Menschen recherchieren wollen. Hast du
was zu schreiben?«
»Moment«, sagte Grau. »Meike, hol mir was zu schreiben,
schnell, bitte. Dörte, hast du auch gefragt, ob Thelen bei der Caritas in
Berlin ein Büro hat? Ob er hier auch eine Wohnung hat, um seinen Schäfchen ganz
nah zu sein?«
»Habe ich. Er hat keine Wohnung dort. Er steigt immer im
Hotel ab. Ein Büro hat er auch nicht, da die zuständigen Büros seine Arbeit
erledigen.«
Meike kam wieder herein und legte Block und Kugelschreiber
auf den Wannenrand.
»Du kannst loslegen.«
»Also, es sind acht Heime: eines in Niederschönhausen, in
Pankow zwei, in Weißensee ebenfalls zwei, je eines in Lichtenberg,
Friedrichshain und Treptow. Ich gebe dir jetzt die genauen Anschriften.«
Grau schrieb alles sorgfältig auf. »Alle Heime sind Baustellen?«
»Alle«, erwiderte Dörte Volkland. »Sechs sind aber noch
bewohnt. Die werden ausgebaut und umgebaut und was weiß ich. Das wird also
verdammt schwer.«
»Das macht mich aber gar nicht froh«, murmelte Grau.
»Weißt du denn, wie groß diese Koffer sind?«
»Sie müssen verdammt groß und stabil sein. Wahrscheinlich
Leichtmetall mit Stoff oder Leder bezogen, denke ich. Also Thelen genießt einen
guten Ruf? Hm. Wir müssen es versuchen. Danke dir.«
»Wann kriege ich denn die komplette Geschichte?«
»Morgen früh. Und guck dir heute um acht in der ARD die
Nachrichten an.«
Er starrte Meike an. »Irgendetwas stimmt da nicht. Irgendetwas
sagt mir, dass ich falsch liege. Aber ich kann nicht sagen, wieso.«
»Noch einmal ganz langsam von vorn, bitte.«
Er erklärte es ihr und sie hörte aufmerksam zu.
Dann rieb sie ihn trocken wie ein Baby und sagte: »Also,
ich
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