Kurier
schlenderten zu ihren Autos.
Geronimo kniff ein Auge zu und grinste. »Du bist vielleicht
eine Nummer, Mann.«
Sundern war schon zwanzig Meter entfernt, als er sich
noch mal umdrehte und sehr laut »Grau!«, rief. Er rieb sich mit dem rechten
Zeigefinger den Nasenrücken. »Ich will nicht aufdringlich sein, aber Sie
sollten mal in Ruhe über die Einzelheiten nachdenken. Es scheint bewiesen, dass
dieser Steeben alias Markus Schawer tatsächlich samt Diplomatenkoffern mit dem
Flieger in Berlin angekommen ist. An dieser Tatsache ist nicht zu rütteln,
außerdem hat eine mir geneigte Dame bei United Airlines das bestätigt.
Können Sie folgen? Gut. Der Mann fährt also noch zum
Hotel und ist anschließend spurlos verschwunden. Woher wissen wir eigentlich, dass
in einem der Koffer wirklich zehn Millionen US-Dollar waren? Und woher wissen
wir, dass in einem anderen Koffer wirklich ein halber Zentner reines Kokain
war?«
»Ich weiß es von White.« Grau konnte seine Betroffenheit
kaum verbergen.
Sundern nickte und lachte leise. »Dann müssen Sie überlegen,
warum White so etwas behauptet und was es ihm bringen würde, wenn es eine Finte
ist.«
»Das ist doch irre!«, rief Grau.
»Eben nicht«, gab Sundern zurück und stieg in sein Auto.
Grau startete den Wagen und bat Milan: »Ruf die Nummer
dieser Kollegin an, wir müssen erst mal hören, wo unsere neuen Betten stehen.«
Milan reagierte überhaupt nicht, fummelte nur an seinem
Gurt herum und schnallte sich an. Einfach keine Antwort.
»Ruf doch da an«, wiederholte Grau. »He, Milan, träumst
du?«
»In vierundzwanzig Stunden bin ich wieder ein Mensch.«
Grau sah, dass ihm die Tränen über das Gesicht liefen,
und er nahm das Telefon und wählte die Nummer von Helga Friese.
Da war eine jugendliche Stimme am Telefon, die gänzlich
desinteressiert vor sich hin schwadronierte: »Oh, das ist gut, dass du anrufst.
Also, ihr könnt hier pennen, Prenzlauer Berg, Dimitroffstraße 155, 3.
Hinterhof, zweite Etage. Ich geh jetzt, weil ich in die Penne muss. Ich
verstecke den Schlüssel unter der Matte.«
»Das ist prima«, sagte Grau, »also ab in die Dimitroffstraße!«
Milan hockte in seinem Sitz und drehte sich eine Zigarette.
»Vielen Dank, Grau.«
»Wenn Geronimo das selbst in die Hand nimmt, sind die
Papiere auch echt«, behauptete Meike voll Stolz. »Du fährst zurück auf die
Schnellstraße, dann stadteinwärts. Ich will mal wieder an einem Duschknopf
drehen.«
»Und ich möchte Sigrid anrufen«, bat Milan.
»Das wäre jetzt nicht gut«, widersprach Grau.
»Ja, du hast recht. Gehe ich mit ins Kranzier? «
»Auf jeden Fall.« Grau nickte.
»Ich will auch mit«, sagte Meike im Tonfall eines trotzigen
Kindes.
»Auf gar keinen Fall«, lehnte Grau ab. »Das Risiko ist zu
hoch. Wir werden nicht ein drittes Mal Schwein haben. Was hat eigentlich Nase
gesagt? Was genau wollte er denn?«
»Ach weißt du, Nase war eine Ratte. Nase war neidisch auf
Sundern, er hasste Sundern. Seit zwanzig Jahren oder so. Er hat gedacht, er
könnte Sundern jetzt endlich in den Dreck reiten. Wie ist er eigentlich
gestorben?«
»Es hat ihn zerrissen«, murmelte Milan.
Sie ist unanständig schön, dachte Grau. Sie ist eine
Frau, die immer ein wenig nackt wirkt, gleichgültig, was sie trägt. Warum
begehre ich sie so sehr?
»Ich setze euch vor dem Haus ab«, sagte er. »Ich bringe
den Wagen zu irgendeiner Tanke. So ein Auto fällt zu sehr auf.«
Er entdeckte in der Nähe eine Tankstelle und bat den Mann
hinterm Tresen, den Wagen vollzutanken, zu waschen und das Öl zu wechseln. Dann
schlenderte er in die Wohnung. Die Stadt war jetzt wach.
Die Wohnung war groß und geräumig und mit endlosen
Kolonnen von Grünpflanzen und Ikea-Kiefernregalen geradezu vollgestopft. Im Wohnzimmer
lag ein Zettel auf dem Tisch: »Ihr könnt so lange bleiben, wie ihr wollt. Ich
melde mich. Helga.« Milan machte sich in der Küche zu schaffen und suchte einen
Kaffeefilter. »Meike ist schon im Bad«, sagte er. »Ich nehme das Kinderzimmer,
ihr kriegt das Schlafzimmer.«
»Ich will aber allein sein«, sagte Grau muffelig. Er ging
ins Wohnzimmer zurück und ließ sich auf die Couch fallen. Er starrte an die
Decke und wusste, dass er nicht einschlafen würde, weil er nervös und viel zu
aufgeregt war. Seine Fantasie machte ihm schwer zu schaffen: Sie umarmte seinen
Körper mit ihren unendlich langen Beinen. Er schalt sich idiotisch, närrisch
und kam zu der durchaus
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