Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Bach
Vom Netzwerk:
stümperhafte
Schmiererei.«
    »Herr Ferver, es ist mir wirklich völlig egal, ob der Täter gut oder
schlecht …«
    »Nein, es ist nicht egal«, fiel er ihr ins Wort. »Es ist wesentlich,
sehr wesentlich sogar. Suchen Sie den feinsinnigen Poeten oder den schmierenden
Proleten, Frau Mooser? Wie sieht Ihr Täterprofil aus?«
    Er hob das kleine gelbe Buch hoch und hielt es ihr unter die Nase.
    »Geht es Ihrem Täter wirklich um die hohe Kunst des Dichtens? Ist
das seine primäre Intention? Ich habe die Texte von diesem Menschen doch gelesen.
›Einsamkeit zerstückelt das Herz‹. Was für eine Plattitüde! Eichendorff mag dem
einen oder anderen etwas schwelgerisch erscheinen, aber solche Banalitäten
finden Sie bei ihm nicht. Einen schmierenden Proleten, den suchen Sie, Frau
Mooser! Keinen Poeten.«
    Maria, die ein gutes Stück größer war als Ferver, hatte gar keine
andere Möglichkeit. Sie musste die ganze Zeit auf seine Halbglatze schauen,
eine glänzende, spiegelglatte Fläche, umrahmt von einem spärlichen Kranz dünner
grauer Haare.
    Ferver redete ununterbrochen weiter.
    Spiegelgatt. Wie schaffte er das nur? Niveacreme? Babyöl?
Möbelpolitur?
    »… genau zu differenzieren. Ich hoffe, Sie haben das verstanden,
Frau Mooser?«
    »Ein wichtiger Gedanke. Ich werde ihn berücksichtigen.«
    Die beste Möglichkeit, Ferver loszuwerden, war, ihm recht zu geben.
Sie nahm ihm das Buch aus der Hand.
    »Ich lese es, sobald ich Zeit habe.«
    »Sie sollten es bald lesen, sehr bald!«
    »Sicher. Aber jetzt muss ich einen wichtigen Anruf erledigen.«
    Rasch verschwand sie in Richtung ihres Büros, sah aus den
Augenwinkeln noch, wie Ferver mit seiner Tüte, in der offensichtlich mehrere
Exemplare des kleinen gelben Buches waren, zu Mengert ging. Der würde sich
bestimmt ganz besonders freuen.
    Maria wählte die Nummer von Karel Lindnars Freundin.
    Es dauerte, dann war eine Frauenstimme zu hören.
    »Hallo?«
    Tanja Vliegel war am Apparat, und Maria erklärte, wer sie war und
was sie wollte.
    »Bei mir?«, fragte die junge Frau. »Der hat tatsächlich gesagt, er
wäre an dem Abend bei mir gewesen?«
    »War er nicht?«
    »Nein. Der war ganz bestimmt nicht bei mir. Und der kommt mir auch
nicht mehr in die Wohnung. Ich bin froh, dass ich dieses Arschloch los bin.«
    Tanja Vliegel schimpfte, so wie Frauen schimpfen, die man zu sehr
gekränkt hat. Karel Lindnar sei völlig verpeilt, unzuverlässig und ein mieser
Egoist.
    Er hatte Tanja Vliegel mehrfach sitzen gelassen, war nicht
erschienen, wenn er es sollte, dann wieder mitten in der Nacht aufgetaucht,
hatte sie aus dem Bett geklingelt, um in ihrer Küche Spaghetti zu kochen, ihren
Rotwein auszutrinken und wieder zu verschwinden.
    Es hatte damit geendet, dass sie ihn im »Mohren« gesehen hatte, mit
einer anderen, nachdem er sie eine Stunde zuvor angerufen und verkündet hatte,
dass er leider nicht kommen könnte, weil er an einem Referat arbeiten würde.
    Tanja Vliegel beteuerte, Karel Lindnar in dieser Woche überhaupt
noch nicht gesehen zu haben. Das würde sie auch gern jederzeit zu Protokoll
geben.
    Als Maria auflegte, war ihre Hand schweißnass. Deshalb hatte Lindnar
also gezögert, als es um sein Alibi ging. Er hatte sie belogen, und er hatte
schlecht gelogen.
    Er hatte eine Frau genannt, die sie ohne Weiteres auffinden würden,
und dazu noch eine, die so wütend auf ihn war, dass sie ihn niemals decken
würde.
    Wenn man schon ein Alibi erfinden musste, dann gab es jede Menge
bessere Möglichkeiten. Ausreden, die schwerer nachzuprüfen waren, die Zeit
verschafften.
    Alsberger hatte alle Daten Lindnars akribisch auf dem Zettel
notiert. Die Adresse, eine Handynummer, die Nummer des Festnetzanschlusses.
    Maria wählte Lindnars Handynummer, ließ es klingeln, wieder und
wieder.
    Was machte jemand, der so besessen war wie dieser Hades, wenn er
sich in die Ecke gedrängt fühlte? Im besten Falle haute er einfach ab. Oder er
nutzte die Zeit, die ihm bis zur Verhaftung blieb, um zu tun, was er noch
vorhatte.
    Sie versuchte es noch einmal, diesmal unter dem Festnetzanschluss.
    »Ja, hallo?« Die Stimme eines jungen Mannes, leider nicht die von
Lindnar.
    »Mooser hier. Ich würde gerne Karel Lindnar sprechen, ist er da?«
    »Ja, der ist hier. Auf jeden Fall ist der hier.« Der junge Mann
klang ziemlich genervt. »Warten Sie, ich geh mal klopfen.«
    Im Hintergrund erklang Musik, dumpf und laut. Der Name »Karel« wurde
einige Male gerufen. Dann war die Stimme des jungen Mannes wieder

Weitere Kostenlose Bücher