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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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Gemeutert wird immer auf Schiffen, wo die Disziplin entweder zu streng oder zu lax ist.«
    »Ach, Sie irren sich gewiß, wenn Sie glauben, daß die Besatzung ihn nicht durchschaut. Ungebildete Menschen besitzen in diesen Dingen einen sechsten Sinn — haben Sie jemals erlebt, daß ein Dorfgerücht völlig unrecht hatte? Es ist ein Instinkt, der sich mit zunehmender Bildung verflüchtigt, genauso wie die Fähigkeit, Gedichte zu behalten. Ich habe Bauern gekannt, die zwei- oder dreitausend Verse auswendig kannten. Aber wollen Sie im Ernst behaupten, die Disziplin an Bord sei lax? Das überrascht mich, allerdings verstehe ich wenig von nautischen Dingen.«
    »Nein, die Disziplin im üblichen Sinne ist bei uns durchaus streng. Ich denke dabei an anderes, an etwas wie die Mittelglieder, mathematisch gesehen. Die Offiziere gehorchen ihrem Kommandanten, weil er seinerseits gehorcht; das hat mit der jeweiligen Person im Grunde nichts zu tun. Und so geht es auch nach unten weiter. Falls er selbst nicht gehorcht, schwächt das die Kommandokette ... Du lieber Himmel, was rede ich da für tiefschürfendes Zeug! Es war wohl die Erinnerung an diesen armen, unglücklichen Soldaten in Mahón, die mich zum Moralisieren verleitet hat. Kennen Sie das, daß Sie beim Mittagessen oft so munter sind wie ein Floh — und sich beim Abendessen fragen, warum Gott die Welt überhaupt erschaffen hat?«
    »Ich kenne es. Aber was hat der Soldat damit zu tun?«
    »Wie gesagt, es war in Mahón. Da geriet ich mit einem Infanterieoffizier in Streit über Prisengeld. Er sagte, die ganze Sache sei unfair. War wohl ziemlich arm, der Junge — und sehr wütend. Aber er behauptete, wir dienten allein aus diesem Grund in der Marine. Ich erwiderte, da sei er im Irrtum, und er zieh mich dafür der Lüge. Wir gingen in diesen Park am Ende des Kais — ich hatte Jevons von der Implacable als Sekundanten dabei —, und die ganze Sache war in zwei Gängen vorüber. So ein armer, dummer, ungeschickter Bursche: Er spießte sich praktisch selbst an meinem Degen auf ... Was gibt's, Shannahan?«
    »Die Fässer sind voll, Sir.«
    »Schlagt die Spunde gut ein, dann rollen wir sie zum Wasser hinunter.«
    »Adieu«, sagte Stephen und erhob sich.
    »Also trennen sich jetzt unsere Wege?«
    »Ja. Ich will über die Hügel, bevor es allzu dunkel wird.«
    Aber es hätte schon einer seltsamen Dunkelheit bedurft, um seine Füße daran zu hindern, ihren Weg zu finden. Der Pfad wand sich die Steilküste hinauf, überquerte immer wieder den Bach und zeugte davon, daß hier gelegentlich Menschen gingen: Fischer, um Krebse zu fangen, ein um seine Potenz Besorgter, um im Tümpel zu baden, und andere heimliche Wanderer. An besonders schwierigen Stellen griff Stephen nach Ästen, die schon viele Hände vor ihm blankgewetzt hatten.
    Aufwärts, aufwärts, und das Wispern der warmen Nachtluft in den Pinien. Einmal trat er auf einen kahlen Felsen hinaus und sah erstaunlich tief unter sich die Boote mit ihren langen Schleppen halbversunkener Fässer, was ihn an die Laichfäden von Fröschen denken ließ. Danach verlor sich der Pfad erneut zwischen Bäumen, die ihn erst wieder freigaben, als er den von Thymian und kurzem Gras bedeckten, flachen Gipfel des sonst kahlen Landvorsprungs erreichte, der ein Meer von Pinien überragte. Bis auf den violetten Dunst über den fernen Bergen und einen seltsam schwefelgelben Streifen am Himmel war die Landschaft farblos. Aber er sah die weißen Blumen davonhüpfender Kaninchen und die jagend umherschießenden Ziegenmelker, die er erwartet hatte; wie geisterhafte Schemen umkreisten sie seinen Kopf. Neben einem großen Stein mit der Inschrift Non fui non sum non curo ließ er sich nieder, worauf die Kaninchen allmählich zurückkamen, näher und näher, bis er sie sogar auf der luvwärtigen Seite des Steins am Thymian knabbern hörte. Hier wollte er bis zur Morgendämmerung verweilen und im Geiste eine Kontinuität herstellen, die ihm entglitten war. Der zu besuchende Freund (obwohl es ihn gab) war nur ein Vorwand gewesen. Stille, Dunkelheit und die vertrauten Gerüche hatte er zusammen mit der Wärme des Landes so nötig gehabt wie die Luft zum Atmen.
    »Ich denke, wir können jetzt in die Bucht einlaufen«, sagte Jack. »Es schadet nichts, wenn wir vor der Zeit am Treffpunkt sind, dann kann ich mir noch ein wenig die Beine vertreten. Außerdem möchte ich ihn so früh wie möglich auflesen, es macht mich nervös, ihn allein an Land zu wissen. Manchmal

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