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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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dazu mit elend wenig Hoffnung auf eine Prise, weder auf dem Hin- noch auf dem Rückweg.«
    »Ich hätte nie gedacht, daß Sie so prosaisch sind«, rief Stephen aus. »Pfui! Alexandria ist klassischer Boden.«
    »Gewiß, gewiß.« Stephens Begeisterung weckte allmählich Jacks gute Laune und Lebensfreude wieder. »Und mit etwas Glück bekommen wir auch die Berge von Kreta zu sehen, schätze ich. Aber kommen Sie jetzt, wir müssen an Bord. Wenn wir hier noch lange herumstehen, werden wir umgerannt.«

NEUNTES KAPITEL

    ICH DARF MICH NICHT beklagen, das wäre undankbar« , schrieb Stephen. »Aber wenn ich bedenke, daß ich über den glühenden Sand Libyens hätte schreiten können, der voller Schlangen ist (wie Goldsmith berichtet), Schlangen von ganz unterschiedlicher Bösartigkeit; daß ich an der Küste von Kanopos hätte wandeln, den Ibis hätte erblicken können und den Flamingo, überhaupt Stelzvögel zu Tausenden und vielleicht sogar ein Krokodil; daß ich an Kretas Nordküste vorbeigerissen wurde, den Berg Ida einen ganzen Tag lang vor Augen; daß in einem bestimmten Augenblick Kythera nur eine halbe Stunde entfernt lag und daß trotz meines Flehens nicht angehalten, nicht ›beigedreht‹ wurde ... Und wenn ich mir die Herrlichkeiten vergegenwärtige, an denen unser Kurs in so geringer Entfernung vorbeiführte — die Kykladen, der Peloponnes, das ehrwürdige Athen — ohne daß eine Abweichung gestattet war, nicht einmal für einen halben Tag — also, dann muß ich mich schon sehr beherrschen, um Jack Aubreys Seele nicht zum Teufel zu wünschen. Andererseits, wenn ich diese Notizen nicht ab eine Reihe versäumter Chancen betrachte, sondern ab Bericht über erregende Begebenheiten, dann habe ich überreiche Gründe, in rationalen Jubel auszubrechen: über die See Homers (wenn schon nicht Homers Land), den Pelikan, den großen weißen Hai, den die Matrosen mir so gefällig herausfischten; auch über die Seegurken und die euspongia mollissima (den Schwamm, mit dem Achilles laut Poggius seinen Helm ausstopfte), die gemeinen Möwen und die Schildkröten ...
    Dabei zähle ich diese Wochen zu den friedlichsten meines Lebens. Sie würden auch zu den glücklichsten zählen, müßte ich nicht ständig fürchten, daß JA und JD einander umbringen, auf die denkbar zivilisierteste Art, nämlich bei einem Duell auf der nächsten Landspitze; denn wie es scheint, kann man Ehrenhändel nicht auf See erledigen. JA ist immer noch zutiefst verletzt über eine Bemerkung, die Cacafuego betreffend — anscheinend wurde sein Mut in Zweifel gezogen, was ihm unerträglich ist und an ihm frißt. Und JD, obwohl inzwischen etwas ruhiger, bleibt total unberechenbar: voll mühsam unterdrückter Wut und Verbitterung, die sich eines Tages Bahn brechen werden; aber ich kann nicht sagen, wann. Mir ist, als säße ich auf einem Pulverfaß in einer vielfrequentierten Schmiede, wo die Funken nur so stieben (mit Funken meine ich die vielen Gelegenheiten zur Beleidigung).«
    Tatsächlich hätte man sich — wäre diese Spannung, diese dräuende Wolke nicht gewesen — keine angenehmere Art vorstellen können, den Spätsommer zu verbringen, als auf einer schnellen Slup über die ganze Länge des Mittelmeers zu segeln. Und die Sophie segelte jetzt wirklich schneller, seit Jack den besten Trimm für sie gefunden, die Lasten im Laderaum umgestaut und die Masten mit dem achterlichen Fall verstagt hatte, das von ihren spanischen Erbauern vorgesehen war. Außerdem hatten die beiden Schwammtaucher mit den von ihnen angeleiteten, des Schwimmens kundigen Matrosen jede freie Minute der langen Flaute in griechischen Gewässern (ihrem Heimatrevier) damit zugebracht, das Unterwasserschiff sauberzukratzen. Stephen erinnerte sich an einen warmen Abend, als er bei sinkender Dunkelheit die See beobachtet hatte: Ihre Oberfläche war kaum geriffelt, und doch fand die Sophie mit ihren Bramsegeln oben noch so viel Wind, daß sie eine lange, flüsternde Furche ins Wasser graben konnte, eine überirdisch funkelnde, schnurgerade Linie, die noch eine Viertelmeile weit achteraus zu sehen war. Stephen hatte Tage und Nächte von unglaublicher Reinheit erlebt. Nächte, in denen die stetige ionische Brise das Breitgroß sanft wölbte — ohne daß auch nur eine Brasse angefaßt werden mußte, viele Wachen lang —, Nächte mit Jack an Deck, in denen sie fiedelten, fiedelten, versunken in ihre Musik, bis der fallende Tau die Saiten verstimmte. Und Tage, die so unendlich schön,

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