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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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Benehmen einreißen zu lassen, und bat deshalb einmal in der Woche den Offizier (und manchmal auch den Kadett oder Fähnrich) der Vormittagswache zum Mittagessen zu sich, unabhängig davon, wer sie waren. Dafür wurde er ebenfalls einmal pro Woche in die Offiziersmesse eingeladen. Dillon hatte diese Regelung kommentarlos akzeptiert. Dem äußeren Anschein nach behandelten sie einander mit perfekter Höflichkeit — eine Praxis, die im Alltag von der ständigen Gegenwart Dritter sehr erleichtert wurde.
    Auch jetzt trug Henry Ellis unwissentlich zu ihrem Schutzschild bei. Er hatte sich als ganz gewöhnlicher Junge entpuppt, umgänglich und problemlos. Anfangs extrem ängstlich und bescheiden, war er zunächst von Babbington und Ricketts erbarmungslos zum Narren gehalten worden, aber inzwischen hatte er sich eingefügt, seinen Platz gefunden, und erwies sich höchstens als etwas geschwätzig. Aber nicht am Tisch seines Kommandanten: Stumm und steif saß er da, die rot leuchtenden Hände und Ohren sauber geschrubbt, Ellbogen an die Seiten gepreßt, und vertilgte mit einem Wolfshunger große Bissen Hammelbraten, die er anscheinend unzerkaut schluckte. Jack hatte schon immer eine Vorliebe für junge Menschen gehegt und war außerdem der Ansicht, daß einem Gast an seinem Tisch Aufmerksamkeit gebühre, deshalb lächelte er freundlich, nachdem er Ellis zugetrunken hatte, und sagte: »Ihr Burschen habt heute morgen im Vortopp ein Gedicht aufgesagt. Ein kapitaler Reim, wie mir schien — etwa von Mr. Mowett? Er hat ja eine poetische Ader.« Womit er richtig geraten hatte. Mowetts Gedicht über das Anschlagen des neuen Großsegels war im ganzen Schiff sehr bewundert worden. Aber zu seinem Unglück hatte ihn das Lob dazu inspiriert, im Rahmen einer allgemeinen Beschreibung folgendes zu reimen:
    Weiß wie die Wolken im Sonnenschein
    leuchtet ihr Arsch im Wasser so rein.
    Dieses Couplet hatte Mr. Mowetts Autorität bei den Jungen auf unabsehbare Zeit völlig untergraben. Und dieses Couplet hatten sie im Vortopp gekräht, in der Hoffnung, ihn noch mehr zu provozieren.
    »Bitte, würden Sie das Gedicht für uns aufsagen? Ich bin sicher, auch der Doktor möchte es gerne hören.«
    »O ja, unbedingt«, versicherte Stephen.
    Der unselige Junge schob einen großen Happen Hammelbraten in die linke Backentasche, wurde krankhaft gelb im Gesicht und nahm seinen ganzen Mut zusammen. Er antwortete: »Jawohl, Sir«, starrte aus den Heckfenstern und begann:
    » Weiß wie die Wolken im Sonnenschein ...« Heilige Barmherzigkeit, rette mich, dachte er ... » Weiß wie die Wolken im Sonnenschein / leuchtet ihr ... « Seine Stimme bebte, setzte aus und quiekte schließlich » Ihr Arsch « , aber den Rest brachte er nicht mehr zustande.
    »Mächtig gelungen, der Reim«, rief Jack nach einer winzigen Pause. »Und so erbauend! Dr. Maturin, noch ein Glas Wein?«
    Mowett erschien wie aufs Stichwort, nur um weniges verspätet, und sagte: »Bitte um Vergebung für die Unterbrechung, Sir, aber wir haben ein Toppsegel an der Kimm. Drei Strich an Steuerbord voraus.«
    Während ihrer glückhaften Reise hatten sie außer einer Kajk in griechischen Gewässern und einem von Sizilien nach Malta bestimmten Transporter auf hoher See keine nennenswerten Schiffe gesichtet. Sowie der Neuankömmling so nahe heran war, daß seine Marssegel und ein Ansatz der Untersegel von Deck der Sophie aus erblickt werden konnten, wurde er deshalb noch aufmerksamer als üblich gemustert. An diesem Vormittag hatten sie die Straße von Sizilien hinter sich gelassen und hielten jetzt nach Westnordwest, mit dem sardischen Kap Teulada siebzig Meilen im Nordosten, woher eine mäßige Brise wehte; nur noch zweihundertfünfzig Meilen trennten sie von Port Mahón. Das fremde Schiff schien nach Westsüdwest oder etwas südlicher zu halten, vielleicht Richtung Gibraltar oder Oran, und peilte von der Sophie aus in Nordnordwest. Wenn sie ihre Kurse beibehielten, würden sie sich irgendwann kreuzen, aber noch ließ sich nicht sagen, welches Schiff schneller war.
    Ein unbeteiligter Beobachter hätte die Sophie leicht krängen gesehen, weil sich die ganze Besatzung an der Steuerbordreling drängte, hätte das erregte Geschnatter auf dem Vorschiff langsam verstummen gehört und hätte vielleicht mit einem Lächeln bemerkt, daß zwei Drittel der Matrosen und Offiziere wie auf Kommando bedenklich die Lippen spitzten, als das ferne Schiff die Bramsegel setzte. Dies sprach nämlich mit einiger Sicherheit

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