Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
Vom Netzwerk:
so unendlich leer waren, daß man fast nicht zu sprechen wagte.
    Es war eine Reise, deren Anfang und Ende aus dem Gedächtnis gerieten — ein Reise, die sich selbst genügte. Und was die praktische Seite anging, so war die Sophie jetzt eine gut bemannte Slup, seit alle Prisencrews wieder an Bord zurückgekehrt waren: nicht viel Arbeit, mäßiger Zeitdruck und Tag für Tag der gleiche Dienst; Tag für Tag auch Exerzieren an den großen Kanonen, wobei die Intervalle immer kürzer wurden, bis es die Backbordwache eines Tages auf 16°31' Ost schaffte, drei Breitseiten in genau fünf Minuten abzufeuern. Vor allem aber hatten sie außergewöhnlich schönes Wetter und (abgesehen von einer Flautenwoche weit im Osten, kurz nach der Trennung von Sir Sidneys Geschwader) immer günstigen Wind. Alles lief so gut, daß Jack, als sie sich endgültig entschlossen, wegen ihres chronischen Wassermangels nun doch Malta anzulaufen, worauf prompt ein mäßiger Südostwind aufkam, unbehaglich bemerkte: »Das ist einfach zu schön, um wahr zu sein. Ich fürchte, dafür wird uns bald die Rechnung präsentiert.«
    Ihm lag besonders viel an einer schnellen Reise, an einer sensationell schnellen Reise, denn nur sie würde Lord Keith von seinem unbeirrbaren Diensteifer überzeugen, von seiner Zuverlässigkeit; in seinem ganzen Leben als Erwachsener war ihm (wenn er’s recht bedachte) nichts so sehr in die Knochen gefahren wie die Worte des Admirals über seine geschwundenen Chancen auf Beförderung zum Vollkapitän. Sie waren wohlwollend gemeint und restlos überzeugend gewesen; und sie gingen ihm nicht aus dem Kopf.
    »Es überrascht mich, daß Ihnen ein bloßer Titel so viel bedeutet — noch dazu ein ziemlich byzantinischer Titel«, bemerkte Stephen. »Schließlich werden Sie schon jetzt als ›Captain Aubrey‹ angesprochen, und dabei bliebe es auch nach einer eventuellen Beförderung. Denn soweit ich weiß, redet niemand den entsprechenden Dienstgrad mit ›Vollkapitän Soundso‹ an. Es ist doch nicht etwa eine verbohrte Schwäche für Symmetrie, das Verlangen nach einer zweiten Epaulette?«
    »Natürlich liegt mir viel daran, auch an den zusätzlichen achtzehn Pence pro Tag. Aber erlauben Sie mir, darauf hinzuweisen, Sir, daß Sie sich in allem anderen irren. Zur Zeit spricht man mich nur aus Entgegenkommen mit ›Captain‹ an — das heißt, ich bin angewiesen auf die Höflichkeit dieser ganzen Schar elender Knirpse, so, wie man einen Feldscher nur aus Höflichkeit ›Doktor‹ nennt. Wie würde es Ihnen gefallen, falls jeder übellaunige Grobian Sie mit ›Mr. M‹ anreden könnte, bloß weil er unhöflich sein will? Wenn ich dagegen eines Tages befördert werde, dann habe ich vollen Anspruch auf den Titel ›Kapitän‹. Trotzdem würde meine Epaulette zunächst nur von einer Schulter auf die andere wandern. Erst nach drei Dienstjahren als Vollkapitän habe ich das Recht, zwei Epauletten zu tragen. Nein, nein, der Grund, warum es jeden Marineoffizier von klarem Verstand so brennend nach der Beförderung zum Vollkapitän verlangt, ist folgender: Hat man erst diese Hürde genommen, tja, dann ist man ein gemachter Mann. Ich will damit sagen, als Vollkapitän muß man nur lange genug am Leben bleiben, dann wird man eines Tages Admiral.«
    »Und das ist der Gipfel allen menschlichen Glücks?«
    »Aber natürlich!« Jack starrte Stephen verwundert an. »Leuchtet Ihnen das nicht ein?«
    »Doch, doch, gewiß.«
    »Und dann«, Jack lächelte bei der Vorstellung, »dann steigt man immer höher auf der Liste, ob man ein Schiff hat oder nicht, alles exakt nach Dienstalter — Konteradmiral der blauen, Konteradmiral der weißen, Konteradmiral der roten Flagge, schließlich Vizeadmiral der blauen Flagge und so weiter, bis ganz oben. Verdienste spielen dabei keine Rolle, denn es wird nicht selektiert. Das gefällt mir so daran. Bis zu dieser Hürde hängt alles von guten Beziehungen ab, vom Glück oder vom Wohlwollen der Vorgesetzten — und die sind meist eine Herde alter Weiber. Man muß vor ihnen liebedienern — jawohl, Sir, nein, Sir, mit Ihrer Erlaubnis, Sir, Ihr ergebenster Diener ... Oh, riechen Sie den Hammelbraten? Sie leisten mir doch beim Essen Gesellschaft, nicht wahr? Ich habe auch den Offizier und den Kadett der Wache eingeladen.«
    Der fragliche Offizier war diesmal zufällig Dillon und der Kadett der junge Ellis. Jack hatte gleich anfangs beschlossen, den Bruch nicht zu offensichtlich werden, kein barbarisches, verstocktes

Weitere Kostenlose Bücher