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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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blauschwarzer Neger und fiel sogleich ins Auge. Allerdings ließ sich das jetzt nicht mehr ändern, denn da kam schon der Kommandant, fein herausstaffiert in seiner Ausgehuniform, mit goldbetreßtem Hut und seinem besten Säbel.
    »Ich werde wohl nicht länger als eine Stunde abwesend sein, Mr. Dillon«, sagte Jack mit einer seltsamen Mischung aus steifer Verlegenheit und unterdrückter Erregung. Während der Bootsmann seine Pfeife trillern ließ, stieg er hinunter in den auf Hochglanz geschrubbten Kutter. Und James Dillon erkannte, daß Bonden ein besserer Menschenkenner war: Die Bootscrew hätte diesmal in allen Farben des Regenbogens schimmern können, ohne daß es Captain Aubrey aufgefallen wäre.
    Die Sonne versank an einem Himmel, der nichts Gutes versprach. Die Glocken von Ciudadela stimmten das Angelusläuten an, und auf der Sophie glaste es zur letzten Hundewache. Ein fast voller Mond stieg über dem Black Point empor und schwamm in seiner ganzen Pracht am Firmament. Das Signal zum Aufriggen der Hängematten erklang. Wieder wechselte die Wache. Angesteckt von Lucocks neuer Leidenschaft für Navigation, maßen alle Offiziersanwärter die Höhenwinkel der Fixsterne und des aufgehenden Mondes. Dann glaste es achtmal zur Mittelwache. Die Lichter von Ciudadela erloschen eins nach dem anderen.
    »Kutter nähert sich, Sir«, meldete endlich der Wachtposten, und zehn Minuten später kletterte Jack an Bord. Sein leichenblasses Gesicht erinnerte im fahlen Mondlicht an einen Totenschädel — der Mund ein schwarzes Loch, die Augen dunkle Höhlen.
    »Sie sind noch an Deck, Mr. Dillon?« fragte er mit dem schwachen Versuch eines Lächelns. »Lassen Sie bitte Segel setzen. Das bißchen Seebrise wird uns hinausschieben.« Damit wankte er unsicher in seine Kajüte.

ZEHNTES KAPITEL

    MAIMONIDES BERICHTET ÜBER einen Lautenschläger, der, zum Aufspielen bei einem Staatsereignis befohlen, plötzlich feststellen mußte, daß er nicht nur des Stücks nicht mehr, sondern auch keines einzigen seiner Finger in diesem Augenblick mächtig war« , schrieb Stephen. »Manchmal fürchte ich, daß es mir ähnlich ergehen könnte. Das ist keine irrationale Furcht, denn einst mußte ich einen ganz ähnlichen Verlust ertragen. Als ich, ein Kind noch, nach acht Jahren Abwesenheit nach Aghamore zurückkehrte, besuchte ich Bridie Coolan, und sie sprach mich auf irisch an. Ihre Stimme klang mir zutiefst vertraut (vertrauter ah jede andere, denn sie war meine Amme gewesen), ebenso ihr Tonfall und sogar die einzelnen Worte. Trotzdem konnte ich sie nicht verstehen — ihre Worte ergaben für mich keinen Sinn. Ich war sprachlos.
    Dieses Erlebnis kommt mir wieder in den Sinn, weil ich entdecken mußte, daß ich nicht mehr weiß, was meine Freunde empfinden, beabsichtigen oder auch nur sagen wollen. Fest steht, daß Jack in Ciudadela eine ernste Enttäuschung erlebte, die ihn tiefer getroffen hat, als ich’s für möglich gehalten hätte, gerade bei ihm. Fest steht auch, daß JD immer noch in höchst unglücklicher Verfassung ist. Aber darüber hinaus weiß ich nichts — keiner von ihnen spricht darüber, und ich durchschaue sie nicht mehr. Dabei ist meine eigene Gereiztheit natürlich keine Hilfe. Ich kämpfe gegen eine stark zunehmende Neigung zu mürrischem Trotz, zu verdrossener Gleichgültigkeit, was natürlich in hohem Grade auch auf den Mangel an Bewegung zurückgeht. Und ich muß gestehen, daß ich beide trotz aller Zuneigung zum Teufel wünsche, mitsamt ihrer überspannten, egozentrischen Ehrpusselei und dem gegenseitigen, verbohrten Aufstacheln zu gewagten Unternehmungen, die sehr leicht einen tödlichen Ausgang nehmen könnten. Tödlich für sie , was ihr Problem ist; aber auch tödlich für mich , ganz zu schweigen vom Rest der Besatzung. Eine abgeschlachtete Crew, ein versenktes Schiff und der Verlust meiner Sammlung — das alles zählt bei ihren Ehrenhändeln keinen Deut. Es verrät eine systematische, haarspalterische, arrogante Negation aller anderen Aspekte menschlicher Existenz, die mich ärgert.
    Wie oft habe ich die beiden nun schon entschlackt, zur Ader gelassen, ihnen Fasten und Schlafmittel verordnet! Beide essen viel zuviel und trinken unmäßig, besonders JD. Manchmal fürchte ich, sie verschließen sich vor mir, weil sie längst ein Duell für den Zeitpunkt vereinbart haben, wenn wir irgendwo an Land gehen, und weil sie genau wissen, daß ich es verhindern würde. Wie sie mir aufs Gemüt drücken, diese beiden! Wenn sie

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