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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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das Deck schrubben, die Segel setzen, die Latrinen putzen müßten, wäre bald Schluß mit diesem Federnspreizen. Ich habe keine Geduld mehr mit ihnen. Für Männer ihres Alters und ihrer Position benehmen sie sich ausgesprochen kindisch. Andererseits wären sie ohne eine gewisse Unreife wohl nicht das, was sie sind — der reife, bedächtige Geist treibt sich weder auf einem Kriegsschiff herum, noch schweift er über die Meere auf der Suche nach Gewalt. Trotz seiner Feinfühligkeit (er spielte seine Variation von Deh vieni wirklich delikat, kurz bevor wir Ciudadela erreichten) würde JA in vielem eher zum Piraten taugen, wie sie vor hundert Jahren die Karibik unsicher machten. Und trotz seines Scharfsinns läuft JD Gefahr, ein Fanatiker zu werden — ein verspäteter Loyola —, falls er nicht vorher erschlagen oder aufgespießt wird. Immer noch grüble ich über dieses unselige Gespräch ...«
    Nach Ciudadela hatte die Sophie zum Erstaunen ihrer Besatzung nicht Kurs auf Barcelona genommen, sondern war Westnordwest gelaufen. Bei Tagesanbruch, nachdem Kap Salou in Rufweite des Landes gerundet war, hatte sie einen reich beladenen spanischen Küstenfahrer von gut zweihundert Tonnen aufgebracht, bestückt mit sechs (allerdings stummen) Sechspfündern, hatte ihn so selbstverständlich aufgelesen, als sei das Treffen schon vor Wochen vereinbart und vom spanischen Kapitän auf die Minute pünktlich eingehalten worden.
    »Kommerziell ein sehr profitabler Coup«, hatte James gesagt und der im Osten verschwindenden Prise nachgeblickt, die guten Wind für Port Mahón hatte, während sie selbst mühsam kreuzend ihr nördliches Einsatzgebiet ansteuern mußten, eine der belebtesten Schiffahrtsstraßen der bekannten Welt. Aber nicht mit dieser Bemerkung (obwohl ebenfalls unangenehm) hatte das Gespräch begonnen, das Stephen immer noch beschäftigte.
    Nein, das kam später, nach dem Mittagessen, als er mit James auf dem Achterdeck stand. Es hatte harmlos genug begonnen, als oberflächlicher Gedankenaustausch über den Unterschied in nationalen Gepflogenheiten — die Spanier nahmen ihr Abendessen sehr spät ein, die Franzosen standen alle, Männer wie Frauen, danach gleichzeitig vom Tisch auf und gingen in den Salon, die Iren blieben beim Wein am Tisch sitzen, bis ein Gast einen Ortswechsel vorschlug; ganz erstaunlich waren die Unterschiede auch beim Duellieren.
    »Zweikämpfe sind in England äußerst selten«, bemerkte James.
    »Ganz recht«, meinte Stephen. »Als ich zum erstenmal in London war, erfuhr ich zu meinem Erstaunen, daß manche Männer ein ganzes Jahr verstreichen ließen, ohne sich zu duellieren.«
    James nickte. »Die Auffassung über Ehre und Beleidigung ist in beiden Königreichen sehr unterschiedlich. Ich habe gegenüber Briten schon Provokationen geäußert, die in Irland unbedingt ein Renkontre verlangt hätten, aber in England ganz ohne Folgen blieben. Wir würden das ungemein ängstlich nennen; oder ist feige das treffendere Wort?« Er zuckte die Schultern und wollte schon fortfahren, als das Oberlicht im Deck aufgeklappt wurde; Jacks Kopf und breite Schultern erschienen im Rahmen. Ich hätte nie geglaubt, daß ein so leutseliger Mann so finster und haßerfüllt dreinblicken kann, dachte Stephen.
    »Hatte JD mit Absicht so gesprochen?« schrieb er. »Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, vermute es aber, denn es paßt genau zu den Bemerkungen, die er neuerdings macht: Bemerkungen, die unabsichtlich oder einfach taktlos sein mögen, die aber alle dazu geeignet sind, Vernunft und Vorsicht in ein ungünstiges, sogar verächtliches Licht zu rücken. Früher hätte ich's gewußt, jetzt nicht mehr. Ich weiß nur, daß JA, wenn er bei seinem hitzigen Temperament in Wut gerät — über seine Vorgesetzten, die schwerfällige Marine oder wie jetzt über die Untreue seiner Geliebten —, Erleichterung in der Gewalt sucht, im Gefecht. Und JD, den ganz andere Furien hetzen, reagiert genauso, nur mit einem Unterschied: Während es JA wohl in erster Linie nach dem markerschütternden Lärm des Gefechts verlangt, nach der immensen Herausforderung an Geist und Körper und dem überwältigenden Gefühl, nur für den Augenblick zu leben, gelüstet es JD, fürchte ich, nach mehr.«
    Stephen schloß das Tagebuch und starrte den Einband, in Gedanken weit, weit entfernt, so lange an, bis ein Klopfen ihn auf die Sophie zurückrief.
    »Mr. Ricketts«, sagte er, »was kann ich für Sie tun?«
    »Sir«, antwortete der Kadett, »der

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