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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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Gleichgültigkeit herabschien.
    Und doch wirkte die Verfolgung nicht so, als würde sie mit höchster Kraft vorangetrieben. Einige Zeit nachdem James Dillon den Vollzug der dringendsten Reparaturen gemeldet hatte, sagte Jack deshalb: »Ich glaube, wir können diesen plumpen Kähnen den Rückweg abschneiden, wenn wir schnell genug drehen und blitzartig Vollzeug setzen.«
    »Alle Mann klar zur Halse«, befahl James, und des Bootsmanns Pfeife schrillte.
    Isaac Isaacs rief seinem Kumpel John Lakey voller Genugtuung zu: »Jetzt schneiden wir diesen lahmen Enten den Rückweg ab«, und rannte auf seine Gefechtstation an der Großbram-Bulin.
    Und das wäre ihnen auch gelungen, wenn nicht ein Zufallstreffer ihre Vorbramrah zerschossen hätte. Das Bramsegel konnten sie retten, aber die Sophie wurde sofort langsamer, und die Kanonenboote zogen davon, immer weiter davon, bis sie hinter ihrer Mole in Sicherheit waren.
    »Also, Mr. Ellis«, sagte James, als die Morgendämmerung zu enthüllen begann, wieviel Schaden ihre Takelage in dieser Nacht genommen hatte, »hier bietet sich Ihnen eine ausgezeichnete Chance, sich in Ihrem Beruf zu vervollkommnen. Ich wage zu behaupten, daß es dort oben genug Arbeit gibt, um Sie bis Sonnenuntergang oder länger zu beschäftigen: mit jeder Art von Spleiß und Stek, Schmarting und Marling, die Sie sich nur wünschen können.«
    Der Erste war ungewohnt heiterer Laune und summte ein Liedchen, während er überall an Deck herumwuselte.
    Die neue Rah mußte an ihren Platz gehievt, das eine oder andere Einschußloch repariert und die Zurring am Bugspriet erneuert werden, denn ein verrückter Querschläger hatte ihn so gestreift, daß die Umkleidung zur Hälfte abgerissen, das Holz selbst aber nicht beschädigt worden war: so etwas hatten selbst die ältesten Salzbuckel noch nicht erlebt, es war ein Wunder, einen Eintrag im Logbuch wert. Den ganzen schönen Tag lang lag die Sophie ungestört in der Sonne und versorgte ihre Wunden. An Bord ging es zu wie in einem Bienenkorb: Die Besatzung war fleißig und wachsam, die Atmosphäre knisterte vor Spannung. Jeder wußte, daß sie sehr bald wieder auf Land zuhalten würden, entweder für einen Überfall auf die Küste oder um Schiffe zu erbeuten. Die Stimmung war wankelmütig und leicht beeinflußbar: von der Aussicht auf vierzehn Guineen pro Mann, den Prisenanteil, den man sich für die Beute vom Vortag und vom letzten Dienstag ausgerechnet hatte; vom nach wie vor ernsten Gesicht des Kommandanten; von der felsenfesten Überzeugung an Bord, daß er Geheiminformationen über den spanischen Schiffsverkehr besaß; und von der so plötzlich ausgebrochenen seltsamen Heiterkeit, ja sogar Sorglosigkeit ihres Ersten Offiziers.
    Er hatte Michael und Joseph Kelly, Matthew Johnson und John Melsom dabei überrascht, wie sie unter Deck der Felipe V plünderten — ein ernstes Vergehen, auf das Kriegsgericht stand (wogegen bei Eigentumsdelikten oberhalb der Luken einer Prise normalerweise ein Auge zugedrückt wurde) und das der Erste sonst besonders verabscheute, weil er es für »vermaledeites Seeräuberunwesen« hielt. Trotzdem hatte er die Übeltäter nicht zur Bestrafung gemeldet. Ihre Kameraden taten es ihnen nach, denn die Sophies waren allesamt verkappte Räuber; hinter Masten, Spieren und Booten hervor verfolgten sie ihn mit mißtrauischen Blicken. All diese Einflüsse zusammen sorgten für eine eigenartig überdrehte Stimmung an Bord, die gleichzeitig gedämpft und hektisch, heiter und schweigsam war und die allgemeine nervöse Spannung verriet.
    Da alle so beschäftigt waren, zögerte Stephen, nach vorn zu seiner Ulmenpumpe zu gehen, durch die er täglich die Wunder der Tiefe bestaunte. Sein Verweilen bei der Pumpe war für die Besatzung inzwischen so zur Gewohnheit geworden, daß sie sich mit ihren Reden vor ihm keinerlei Zwang mehr antaten. Aber Stephen spürte die Besorgnis an Bord und teilte sie.
    Beim Mittagessen war James in ausgelassenster Stimmung. Leutselig hatte er Pullings und Babbington dazu eingeladen, und deren Anwesenheit, zusammen mit Marshalls Fehlen, verlieh der Mahlzeit etwas festlich Beschwingtes, auch wenn der Zahlmeister mürrisch vor sich hin schwieg. Stephen beobachtete James, der lauthals in den Refrain des von Babbington angestimmten Trinklieds einfiel und danach begeistert auf den Tisch schlug. »Gut gemacht«, rief er. »Und jetzt eine Runde Wein für alle, um die Kehlen zu schmieren. Danach muß ich wieder an Deck, obwohl sich das

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